Die EU tastet sich in eine neue Gemeinsamkeit
Brüssel erwacht aus der Schockstarre. Bei ihrem mittlerweile vierten Videogipfel machten die 27 Staats- und Regierungschefs einen deutlichen Schritt voran. Er führt zu mehr Europa. Das geschieht nicht, weil die Chefs den Mut und die Überzeugung gefunden hätten, ihre nationalen Befindlichkeiten hinter sich zu lassen. Es bleibt ihnen angesichts der Coronapandemie gar nichts anderes übrig.
Ein Neustart der Wirtschaft kann nur gemeinsam gelingen. Dieser Erkenntnis können sich selbst die hartherzigsten Sparefrohs wie Österreich und die Niederlande nicht verschließen. Zumal die Rettung des gemeinsamen Markts ja im Interesse ihrer Exportwirtschaften liegt.
Und so muss wohl (oder übel) der gemeinsame Neustart auch gemeinsam finanziert werden. Das soll mit einem Manöver gelingen, das direkt aus der magischen Kompromissküche Brüssels stammt:
Das nächste Siebenjahresbudget der EU ab 2021 soll auf dem Finanzmarkt als Sicherheit für die Aufnahme von mindestens 1000 Milliarden Euro dienen, die einen zeitlich befristeten Wiederaufbaufonds speisen. Das Geld ausleihen soll sich die EU-Kommission, die es an die Mitgliedsländer weiterleitet.
Das ist großartig, denn kein Land haftet direkt für die Schulden eines anderen und doch tritt die EU gemeinsam auf. Der Hund liegt im Detail begraben: Sollen die Hilfen als Kredite oder Zuschüsse fließen? Wie viel Geld wird überhaupt benötigt? Und: Wer bekommt wie viel auf wessen Kosten?
Die EU wäre nicht die EU, gäbe es nicht noch Tausende Verästelungen zu lösen und Zehntausende Debatten zu führen und wäre ein Scheitern nicht immer möglich.
Und doch: Die Europäische Union lebt. Gerade in der Krise.