Schüler, Eltern und Lehrer haben sehr viel geleistet Shutdown traf auch an Schulen die Schwächsten
Im Land der Hämmer beginnt nun der Schulöffnungstanz. Vielleicht sogar zukunftsreich. Aus der Krise kann auch etwas entstehen.
„Der Hammer und der Tanz.“Diese Metapher ist weltweit zur Coronavirusstrategie geworden. Früh implementierte strenge Maßnahmen waren der Hammer – für die Wirtschaft wie für die Schule.
Die Phase des Tanzes, der behutsamen Öffnung unter stetem Schielen auf die Reproduktionsrate, läuft nun. Bei dem Tanz kann es vor und – wenn die Rate steigt – retour Richtung Hammer gehen, erklären uns die neuen politischen Tanzlehrer.
Der Hammer traf die Wirtschaft extrem hart, darum wurde mit der Öffnung und dem Tanz auf 20 Kundenquadratmetern begonnen.
Aber was macht der Hammer des Schul-Shutdowns mit unseren Kindern und warum gab es so lang einen kommunikativen (Eier-)Tanz um den Fahrplan für eine neue Schulnormalität, in der auch offenbar unproduktive juvenile „Virenschleudern“wieder voll zählen?
Wurde das Land der Hämmer zu stark zum Land der Hemmer unserer Kinder? Es wird ein heikler Tanz bleiben: Die Hälfte der Eltern fürchtet aus Infektionsangst eine Öffnung, die andere Hälfte bricht unter der Last der Schule daheim fast zusammen, manche Studien besagen, dass Schulen kaum zur Virusverbreitung beitragen, andere warnen vor der Gefahr der Öffnung.
Der Hammer hat Schüler und Familien hart getroffen – unterschiedlich hart: Manch Akademikerkind, das einfach seinen Laptop aus der Computerklasse mit nach Hause nahm, hat die neue Selbstorganisation sogar genossen. Der Schulschließungshammer traf andere härter und hemmte: Den Buben, der mit der im Homeoffice arbeitenden alleinerziehenden Mutter um den einen Computer streiten muss, die vier Kinder der Flüchtlingsfamilie, die mit Eltern und Großeltern auf 65 Quadratmetern leben, das Mädchen, das nicht in Betreuung durfte, weil die Schule der Mutter beschied: „Putzfrau ist kein systemrelevanter Beruf“, die Zehntausenden, die keine Endgeräte hatten, oder die viel zu vielen, die nächtelang beim Videogaming versumpften.
Die Dunkelziffer nicht lernender Schüler wird auf bis zu 30 Prozent geschätzt. In vielen Familien funktionierte Homeschooling gut – das Soziale, der Kontakt mit Freunden fehlte dramatisch. Irgendwann stießen auch Familien, in denen es klappte, an lernpsychologische, technische oder soziale Grenzen.
In der Coronakrise wuchs die Ungleichheit in Österreichs Gesellschaft erstaunlich schnell. Das ist auch in der Schule passiert. Der Shutdown-Hammer hat soziale Bildungsgräben, die es schon gab und in deren Einebnung unser Schulsystem noch nie besonders stark gewesen ist, weiter aufgerissen. Damit die sozialen Klassen an der Schule nicht weiter auseinander tanzen, muss man sich jetzt der Schwächsten auf besondere Weise mit Förderangeboten annehmen.
Auch auf die Lehrer ging der Hammer nieder, viele mussten über Nacht auf virtuellen Unterricht umlernen. Sie zahlen nun den Preis, bis tief in die Nacht über Korrekturen und Elternmails zu sitzen. Immerhin,
die Eltern wissen, was die Lehrer gerade leisten. Die Lehrer wissen, was zu Hilfshauslehrern rekrutierte Eltern leisten müssen. Die Pädagogen stehen – ohne Applaus – weiter vorn an der Coronafront: In den engen Konferenzzimmern mit dem einen Waschbecken gehören viele vom Alter her zur Risikogruppe.
Im besten Fall entsteht aus der Katastrophe ein neuer schulischer Zusammenhalt und ein Ausbruch aus dem Kreislauf des Frontalunterrichts, Auswendiglernens, Abprüfens und Vergessens. Vielleicht bleibt auch das sinnvolle Einbeziehen der Leistungen des letzten Schuljahrs in die Maturabewertung. Und die Chancen zumindest ergänzender individueller Förderung durch digitales Lernen haben jetzt viele via Crashkurs erkannt.
Die Lösung für die Maturanten scheint funktional, aber es hätte viel dafür gesprochen, ihnen im Jahr der Coronaprüfung den Proforma-Maturatanz ganz zu ersparen. Leistung soll und wird nicht das Thema des Schuljahres 2020 sein. Den Leistungshammer braucht keiner mehr auszupacken. Bildungsexperten betonen, dass es nach der Öffnung primär um soziales Zusammenfinden und den Wiederaufbau der Gemeinschaft gehen muss. Und wenn schon Leistung bewertet werden soll, dann die Leistung der Schüler, der Eltern und der Lehrer, eine gewaltige Krisensituation mit viel Mut und Kraft (vorerst) bewältigt zu haben. Diese Leistung sollte für alle Schüler reichen, das Jahr positiv zu absolvieren.