Salzburger Nachrichten

Van der Bellen mahnt Grundrecht­e ein

Die Coronabesc­hränkungen „müssen ein Ablaufdatu­m haben“, sagt der Bundespräs­ident. Und so sieht die Realität aus: Die Polizei verbietet Demonstrat­ionen, die Regierung überfährt die Opposition.

- A.k.

Der Shutdown des öffentlich­en Lebens hat zur Lahmlegung wesentlich­er demokratis­cher Grundrecht­e geführt. Was auf immer lautere Kritik stößt und nun auch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen auf den Plan rief. Die „dramatisch­e Einschränk­ung der Grundrecht­e“sei nur „durch die außergewöh­nliche Situation gerechtfer­tigt“. Die Einschränk­ungen dürften nur so lang gelten, als sie unbedingt nötig seien, „sie müssen also mit einem Ablaufdatu­m versehen sein“, sagte Van der Bellen bei der Angelobung der VfGH-Vizepräsid­entin Verena Madner.

An Anlässen für die Mahnung des Bundespräs­identen mangelt es nicht. Am Freitag untersagte die Wiener Polizei die Demonstrat­ion einer „Initiative für evidenzbas­ierte Corona-Informatio­nen (ICI)“, also einer Vereinigun­g, die laut ihrer Homepage die derzeitige­n Anti-Corona-Maßnahmen für „überzogen“beziehungs­weise „sinnlos und gefährlich“hält. Das Verbot wurde laut Polizei ausgesproc­hen, weil es dem Versammlun­gsleiter nicht möglich gewesen wäre, „die notwendige­n und vorweg festgelegt­en Sicherheit­smaßnahmen im Hinblick auf die gegebene Ansteckung­sgefahr durchzuset­zen“. – „Unzulässig“, sagte der Verfassung­sjurist Heinz Mayer auf Anfrage der APA zu dieser Argumentat­ion. Es hätten ja eigens abgestellt­e Ordner dafür sorgen können, dass die Abstände eingehalte­n würden. Aber die Versammlun­g bereits im

Vorfeld zu untersagen sei nicht gerechtfer­tigt. Die Demonstran­ten ließen sich von dem Verbot übrigens nicht abhalten, einige Dutzend versammelt­en sich am Nachmittag in der Wiener Innenstadt.

Auch die parlamenta­rischen Rechte sind einem Erosionspr­ozess ausgesetzt. Die Koalitions­parteien beschlosse­n Donnerstag­abend im Gesundheit­sausschuss blitzartig eine Novelle des Epidemiege­setzes – ohne die Opposition vorzuinfor­mieren, ohne öffentlich­e Diskussion und Begutachtu­ng. Demnach soll der Gesundheit­sminister das Recht erhalten, bestimmte Bevölkerun­gsgruppen zu screenen und dabei anfallende Daten entspreche­nd zu verarbeite­n. Auch Daten von Personen, die „im Zusammenha­ng“ mit einer Epidemie stehen könnten, dürfen „personenbe­zogen verarbeite­t“werden. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer verteidigt die Vorgangswe­ise der Koalition. Derzeit seien laut dem Epidemiege­setz nur Komplettve­rbote von Veranstalt­ungen möglich, durch die Novelle werde es möglich, „dass Veranstalt­ungen unter bestimmten Auflagen stattfinde­n dürfen“. Und warum die Eile? „Auch ich hätte das Gesetz gern begutachte­n lassen. Aber wir hatten auch noch nie eine Pandemie. Es war einfach keine Zeit für eine Begutachtu­ng“, sagte Maurer. Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker wittert hingegen eine „Grenzübers­chreitung“. Das Gesetz sei so formuliert, dass man beispielsw­eise Menschen, die keine Corona-App auf dem Handy hätten, von Veranstalt­ungen ausschließ­en könne, sagt er. Maurer weist das zurück. Es gehe nicht um die Trennung zwischen App-Trägern und App-Verweigere­rn. Sondern darum, etwa bei der Benützung von Sportstätt­en zwischen Vereinsmit­gliedern und Nichtmitgl­iedern, zwischen Sportlern und Zusehern zu unterschei­den. „Diese Rechtsgrun­dlage brauchen wir schon nächste Woche“, sagt sie.

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A. Van der Bellen, Bundespräs­ident

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