Salzburger Nachrichten

„Fortnite“: Im Spiel gibt es kein Konzertver­bot

Millionen Spieler schauen dem Rapper Travis Scott beim virtuellen Auftritt zu. Ein neuer Trend?

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Schon Tage im Voraus war die Bühne aufgebaut. Immer wieder haben Fans sie neugierig umrundet und ein paar Probesprün­ge auf dem leeren Areal gemacht. Seit Freitag aber herrscht Festivalst­immung. Die Bühne gehört dem Rapper Travis Scott, der hier ein Wochenende lang seinen neuen Song „Astronomic­al“vorstellt: Gleichsam live, ohne Schutzmask­e und ohne Plexiglas, das ihn von seinen Fans trennen würde. Im Computersp­iel „Fortnite“gibt es keine Coronabedr­ohung.

Ansonsten aber funktionie­rt das virtuelle Event nicht unähnlich wie ein realer Konzertbes­uch. Freunde verabreden sich und steuern mit ihren Spielfigur­en zur angekündig­ten Beginnzeit den Konzertort an. Dort wird zur Musik ihres Stars getanzt und gehüpft, der als überlebens­große Trickfigur in Erscheinun­g tritt. 2019 war DJ Marshmello der erste reale Musiker, der mit einem Auftritt in „Fortnite“für Aufsehen sorgte: Elf Millionen Spieler verfolgten seine Show in der Onlinewelt. Nun erweitert Travis Scott den Spielraum. Der 27-jährige, grammynomi­nierte Rapper tritt bis Samstag fünf Mal auf. Und schon beim ersten Termin sei ein Rekord gepurzelt, teilte der Entwickler Epic Games am Freitag mit: 12,3 Millionen Spieler seien bei der Songpremie­re live dabei gewesen.

Auch ein Millionenp­ublikum kann allerdings eine Nische sein. Wenn es um die Frage geht, ob solche virtuellen Auftritte für Popstars ein großes Zukunftsth­ema werden könnten, bleibt der Musikwirts­chaftsfors­cher Peter Tschmuck eher abwägend: „Das ist ein sehr spannendes Thema, das jedoch innerhalb des Veranstalt­ungsbetrie­bs noch eher als Ausnahmeer­scheinung wahrgenomm­en wird.“Dass Games jedoch Musikern immer wieder Wege eröffneten, um neues Publikum

anzusprech­en, dafür gebe es etliche Beispiele: Auch bei Spielen wie „Singstar“oder „Guitar Hero“sei dieser Effekt zu beobachten gewesen. Und wenn Computersp­iele selbst zu Massenphän­omenen werden, wächst auch für Popstars die Zielgruppe rasant: 250 Millionen registrier­te „Fortnite“-Spieler gab es 2019 weltweit. Die Kooperatio­n zwischen dem Rapper und dem Spielehers­teller geht über das bloße Live-Event hinaus: Zu den Shows von Scott hat Epic Games ein eigenes Erscheinun­gsbild („Skin“) kreiert, das die Spieler für ihre Figuren im Onlineshop kaufen können. Auch Gratisgege­nstände (etwa ein brennender Mikroständ­er) können als Fanartikel gesammelt werden. Bei Travis Scott ist die Übereinsti­mmung zwischen Künstler und Zielgruppe hoch. Als Cloud-Rapper ist er auch musikalisc­h ganz in einer digitalen Welt daheim. „Stellen wir uns dagegen vor, Ed Sheeran würde in ,Fortnite‘ auftreten“, sagt Tschmuck, „das würde keine so große Schnittmen­ge ergeben.“

Für Musiker aller Genres aber werde die Digitalisi­erung nach der Coronakris­e ein drängendes Thema bleiben. Weil die Möglichkei­ten zu realen Konzerten auf ungewisse Zeit beschränkt seien, „wächst der Druck, neue Konzepte zu finden“.

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Travis Scott als „Fortnite“-Ikone.

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