„Wir müssen jetzt die Angst rausnehmen“
Viele Firmenchefs wollen rasch wieder produzieren, aber fraglich ist, wann und wie das geht. Die Produktion fährt nur langsam hoch.
SALZBURG. Bei Atomic in Altenmarkt wird seit Montag wieder voll produziert. „Dafür, dass der Ort noch vor einer Woche unter Quarantäne stand, läuft es erstaunlich rund“, sagt Atomic-Chef Michael Schineis. Am Werkstor werden Fieber gemessen und Masken kontrolliert. „Wenn 200 Mitarbeiter zugleich zur Schicht kommen, fordert das Disziplin, um Abstand zu halten.“In der Produktion selbst sei der Abstand einfacher, die Masken müssten die Mitarbeiter dennoch tragen. „Das ist eine Belastung“, räumt Schineis ein. Die Leute aus Verwaltung und Lager seien nach wie vor in Kurzarbeit. „Aber wenn wir Ski jetzt bald nach Amerika liefern wollen und spätestens im September den europäischen Handel bedienen sollen, müssen wir jetzt produzieren.“Schließlich gelte es 800 Arbeitsplätze zu sichern.
Die Produktion wieder hochgefahren hat auch Palfinger mit 2000 Mitarbeitern in Köstendorf, Elsbethen, Lengau und Kasern. Seit Montag auf 50 bis 80 Prozent, schon bald wieder ganz, erklärt Firmenchef Andreas Klauser. Schleusen mit Fiebercheck und Masken, wenn nicht genug Abstand gehalten werden kann, gibt es auch hier. „Wir haben trotz Werken in China und Italien keinen Coronafall in Österreich gehabt, das soll so bleiben.“
Kritischer sieht es KTM-Chef Stefan Pierer. „Was derzeit abläuft, ist abenteuerlich.“Hygiene und Distanz seien wichtig, die Wirtschaft müsse aber hochfahren. „Wir haben 3600 Mitarbeiter und keinen Coronafall.“Die Produktion bei KTM steht dennoch seit 16. März. „Was uns aufhält, sind Grenzkontrollen, die Leuten aus Deutschland die Fahrt zur Arbeit teils unmöglich machen, vor allem aber Probleme bei der Belieferung mit Komponenten.“
Und das seien nicht Teile aus China, sondern aus Italien. „Ohne Bremsen kann man ein Motorrad nicht bauen und der Lieferant in Italien steht staatlich verordnet.“Pierer hofft, die Produktion bis 25. Mai hochfahren zu können, Forschung und Entwicklung liefen, mit Anfang Mai werde der Vertrieb aufgestockt, da dann europaweit die Händler aufsperrten. „Zweiräder werden gefragt sein, wo viele jetzt Bus und Zug meiden.“Das größte Gift für die Wirtschaft sei Angst, die nach wie vor von der Politik geschürt werde, kritisiert Pierer.
„Wir müssen jetzt die Angst rausnehmen“, sagt auch Liebherr-Chef Manfred Santner. Nötig sei mit allen Sicherheitsvorkehrungen eine Rückkehr zur Alltagsroutine. Auch das Radladerwerk in Bischofshofen mit 1300 Mitarbeitern stand seit 18. März still. Auch hier fehlten Komponenten aus Italien. Speziell gefertigte Teile wie Kabinen könne man nicht auf dem freien Markt kaufen. Langsam laufe die Belieferung wieder. Seit Ostern fahre man die Produktion
hoch, schon Anfang Mai gehe man in Vollbetrieb. Von den 1300 Mitarbeitern im Pongau habe sich nur einer infiziert, von seiner Frau, die beim Lift arbeite, er sei wieder gesund. „Wir haben gefüllte Auftragsbücher“, sagt Santner. Der Auftragseingang aber habe sich schon zuletzt abgeschwächt. „Ich hoffe, dass sich das nicht verstärkt.“
Bei der Porsche Holding in Salzburg bleiben bis Ende Mai 6400 Mitarbeiter in Kurzarbeit – und so weit wie möglich zu Hause. „Im Porschehof
sind nur Schlüsselpositionen besetzt“, sagt Sprecher Richard Mieling. Werkstätten haben seit vergangener Woche wieder offen. Nur wenige Händlerbetriebe sind kleiner als 400 Quadratmeter, die meisten öffnen somit am 4. Mai wieder. „Wir fahren wie viele Unternehmen auf Sicht. Innerhalb der Kurzarbeit können wir atmen.“In den verschiedenen Geschäftsbereichen könne man je nach Entwicklung und Bedarf die Stunden bei den Mitarbeitern hochfahren.
Ein „Soft Opening“bereiten laut AK-Arbeitsrechtlerin Silvia HruskaFrank derzeit viele Unternehmen, die Mitarbeiter vom Büro ins Homeoffice geschickt haben, vor. Und stünden da erst einmal vor vielen Fragen: „Wen holt man zurück, wen nicht? Wenn alle kommen, kann man die Abstandsregeln nicht einhalten.“Auch sei die Situation bei den Mitarbeitern unterschiedlich: „Viele wollen zurück. Ihnen gehen die Kollegen ab und sie haben gesehen, dass manches doch nicht so gut erledigt werden kann, wenn jeder zu Hause sitzt. Andere haben wiederum Angst vor Ansteckung und wollen im Homeoffice bleiben. Und viele haben Kinder zu Hause, die sie betreuen müssen.“
Ein Rezept für alle gebe es nicht. An Betriebsvereinbarungen zum Thema Gesundheitsschutz werde deshalb in vielen Unternehmen geschraubt. Da geht es von der Maximalbesetzung im Pausenraum über Einbahnregelungen in den Gängen bis hin zur Maskenfrage: Wird sie nur im Gang getragen oder auch am Schreibtisch? „Wie und wann trägt man Masken, wer jausnet wo in welchem Abstand? Da sind viele Fragen, die nicht einfach zu lösen sind. Man muss sich jetzt konkrete Spielregeln ausmachen“, sagt HruskaFrank. Die gesetzlichen Bestimmungen sind überschaubar: Es gibt weiterhin eine Empfehlung, im Homeoffice zu arbeiten. Arbeitet man im Betrieb, muss ein Meter Abstand zu Kollegen eingehalten werden. Solange es keinen Kundenkontakt gibt, darf eine Maskenpflicht nicht einseitig verordnet werden.
Auch bei der Salzburger Sparkasse stellt man sich diese Fragen. In den Banken arbeitet man derzeit in zwei Teams im Schichtbetrieb: eine Woche in der Filiale, eine Woche Homeoffice. Die Mitarbeiter ohne Kundenkontakt arbeiten großteils von zu Hause aus. Für Mai gibt es nun drei Szenarien: dass die Mitarbeiter weiterhin daheim arbeiten, eine 50:50-Variante auch in den Büros und eine noch weiter gelockerte Vorgangsweise. Abhängig sei das vor allem von den Entscheidungen der Regierung kommende Woche. „Es wird wahrscheinlich Szenario eins oder zwei“, sagt Christina Egger, Qualitätsverantwortliche der Salzburger Sparkasse. Offene Fragen gibt es noch: ob man in Besprechungen künftig Masken trägt oder wie viele gleichzeitig in die Kaffeeküche dürfen. „Wir müssen einen Spagat zwischen realistisch und lächerlich finden.“Die Arbeit im Homeoffice habe besser funktioniert als gedacht – und könne auch nach Corona öfter genutzt werden, wenn Mitarbeiter das wünschten.
„Müssen Ski für den Winter jetzt fertigen.“