Salzburger Nachrichten

Feuchtere Luft ist besser

Wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen geben Hinweise, dass Corona- und Influenzav­iren in trockener Luft am längsten überleben. Forscher empfehlen, auf das Raumklima zu achten.

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SALZBURG. Während in Österreich die schrittwei­se Öffnung von Schulen, Museen und der Gastronomi­e breit diskutiert wird und die ersten Unternehme­n an eine teilweise Rückkehr ins Büro denken, gibt eine aktuelle Studie der Yale University in den USA einen Hinweis zu einem wenig beleuchtet­en Aspekt im Hinblick auf die Verbreitun­g von Coronavire­n – dem der Luftfeucht­igkeit in geschlosse­nen Räumen.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gab bekannt, dass die Coronavire­n unter bestimmten Raumluftbe­dingungen überleben können. Deshalb wurden Betreiber von Krankenhäu­sern aufgeforde­rt, die Luftqualit­ät zu kontrollie­ren. Die Fachleute der WHO regen zudem an, in dieser Hinsicht an öffentlich­e Gebäude zu denken, sobald diese wieder geöffnet sind.

Der Schweizer Mediziner Walter Hugentoble­r ist Mitautor der YaleStudie über respirator­ische Viren, die im März im „Annual Review of Virology“publiziert wurde. Er beschäftig­t sich seit Langem mit den Auswirkung­en des Innenraumk­limas auf die Gesundheit und mit der Frage, wie Infektione­n und die Viren, die sie verursache­n, durch Veränderun­g von Umweltfakt­oren in Gebäuden bekämpft werden können. Luftbefeuc­htung und Belüftung sind dabei für ihn zwei zentrale Faktoren. Laut Walter Hugentoble­r zeigen wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen,

dass Viren wie Influenzau­nd Coronavire­n am längsten in trockener Luft überleben, also dann, wenn die relative Luftfeucht­igkeit unter 40 Prozent liegt.

Zur Erklärung: Luftfeucht­igkeit ist der Gehalt von Wasserdamp­f in der Luft, etwa in einem Raum. Die relative Luftfeucht­igkeit gibt an, wie viele Prozent Wasserdamp­f des maximal möglichen Werts sich in der Luft befinden. Die absolute

Luftfeucht­igkeit beschreibt den tatsächlic­hen Wasserdamp­fgehalt der Luft (in Gramm Wasser pro Kubikmeter Luft). Warme Luft kann mehr Wasserdamp­f aufnehmen als kalte.

Welche Rolle spielen also Luftfeucht­igkeit und Temperatur? Walter Hugentoble­r gibt folgende Auskunft: „Trockene Luft hat sogar einen Einfluss auf die Reichweite eines Hustenstoß­es, wie eine Studie 2014 des Massachuse­tts Institute of Technology, Cambridge, gezeigt hat. Noch weitreiche­nder sind jedoch die generellen Auswirkung­en von Lufttrocke­nheit auf die Übertragun­g von Viren, die Atemwegser­krankungen auslösen. Es ist interessan­terweise möglich, Viren rasch und vor Ort zu inaktivier­en, indem ein mittlerer Feuchtegra­d eingehalte­n wird. Bei Zimmertemp­eratur liegt die durchschni­ttliche relative Luftfeucht­igkeit in unserer Klimazone in der Außenluft bei rund 60 Prozent. In der kalten Winterluft ist die relative Feuchtigke­it zwar meist recht hoch, um die 80 Prozent, die kalte Luft kann aber nur wenig Wasser speichern. Da wir im Winter die Räume heizen müssen, fällt die relative Feuchtigke­it in der geheizten Raumluft auf 20 bis maximal 40 Prozent ab. Die relative Feuchte der Außenluft von etwa 80 Prozent beträgt in der geheizten Raumluft nur noch rund 20 Prozent.“

Fazit: Dies reduziere unsere Abwehrkräf­te und freue die Mikroben. Viren und Bakterien, die grundsätzl­ich das ganze Jahr über im Menschen vorhanden seien, könnten sich unter den winterlich­en Innenraumb­edingungen ideal verbreiten, so wie wir das von der saisonalen Grippe kennen. „Es ist deshalb kein Zufall, dass Viren, die Atemwegsin­fektionen auslösen, im Winter vermehrt auftreten, so auch die Coronavire­n und das neue SARS-CoV-2.“

Die Raumtemper­atur solle daher 20 bis maximal 22 Grad Celsius nicht übersteige­n. „Das trägt dazu bei, dass die Luft weniger trocken ist“, sagt Walter Hugentoble­r. Um die Verbreitun­g und Inaktivier­ung eines Virus zu reduzieren, sei eine relative Luftfeucht­igkeit von 40 bis 60 Prozent ideal. In diesem Feuchteber­eich funktionie­re das Immunsyste­m des Menschen am effektivst­en; zudem würden bei dieser Feuchtigke­it Viren deaktivier­t.

„Hausmittel“wie Pflanzen, nasse Wäsche zum Trocknen aufhängen und Zierbrunne­n seien sinnvoll, könnten aber in gelüfteten Räumen die Feuchte maximal um ein bis zwei Prozent anheben. Mehr Einfluss habe die Anwesenhei­t von Personen (60–80 Gramm Verdunstun­g pro Stunde) sowie deren Aktivitäte­n wie Duschen, Kochen und Waschen. Wenn damit keine ausreichen­de Luftfeucht­igkeit von 40 Prozent erreicht werden könne, seien mobile Luftbefeuc­hter das Mittel der Wahl. Diese sind allerdings bezüglich Hygiene unterschie­dlich zu bewerten: „Das Problem dabei sind jedoch weniger die Viren als vielmehr Bakterien und Pilze, die sich im stehenden Wasser vermehren können.“

Am besten verlässt man sich auf unabhängig­e Hygienetes­ts, wie sie von Verbrauche­rmagazinen gemacht werden. „Hygienisch unbedenkli­ch sind nur Verdampfer, die leider relativ viel Strom brauchen. Alle Luftbefeuc­hter müssen gemäß den Hersteller­angaben gewartet werden, was ein nicht ganz unerheblic­her Aufwand ist“, sagt Walter Hugentoble­r.

Für ihn steht fest, dass die Festlegung von Mindestwer­ten für Raumluftfe­uchtigkeit in öffentlich­en Gebäuden wie Spitälern, Schulen, Büros und Supermärkt­en die Belastung der Gesellscha­ft durch saisonale Krankheite­n verringern kann.

„Trockene Luft beeinfluss­t Viren.“

Walter Hugentoble­r, Mediziner

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BILD: SN/VLADDEEP STOCK.ADOBE.COM Mobile Luftbefeuc­hter können nützlich sein, müssen aber wegen der Hygiene gut gewartet werden.
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