Coronakrise: Hass im Netz trifft Chinesen, Juden, Flüchtlinge
Fake News wie etwa antisemitische Verschwörungstheorien haben in Ausnahmezeiten Hochkonjunktur. Hassbilder seien mindestens genauso unheilvoll, sagt ein deutscher Experte.
SALZBURG. Hass in digitalen Medien wird nicht nur über Texte verbreitet. Der deutsche Kulturwissenschafter Daniel Hornuff bezeichnet die Bilder, die – abseits von Hate Speech und Fake News – in den sozialen Medien falsche Informationen transportieren, als „mindestens genauso unheilvoll“. In seinem Buch „Hassbilder“(Verlag Klaus Wagenbach) warnt der 39Jährige davor, diese Bilder zu übersehen und die von ihnen ausgehende Gefahr zu unterschätzen. Hassbilder hätten, so Hornuff auf SN-Anfrage, auch in Zeiten der Coronakrise Hochkonjunktur: „Ich sehe im politischen Raum ein ungebrochenes Festhalten an stereotypisierenden Hassbildern.“
Der deutsche Kulturwissenschafter beobachtet aktuell zwei Tendenzen: Die Aktivierung innerer Bilder der Abwertung – der Begriff China-Virus ziele ja darauf ab, dass man das Virus am Äußeren von Personen und Personengruppen identifizieren könne: „Für solche Form der Diffamierung braucht es gar keine äußeren Bilder mehr.“Es genüge das sprachliche Aufrufen von Abwertungsmustern. Zum anderen ortet Hornuff in Deutschland – vorangetrieben durch die AfD – den Versuch, Corona mit dem Flüchtlingsthema zu verbinden: „Vermeintlich unhygienische Zustände unter geflüchteten Menschen werden als ,Beweis‘ für das Eintragen des Virus in westliche Gesellschaften dargestellt.“Diverse im Netz kursierende Bilder würden diese „neurechte Strategie“unterstützen.
Was ist unter einem Hassbild zu verstehen? Daniel Hornuff definiert es als Bild, „das durch seine Verwendung die Aufgabe erhält, durch ästhetische Unterstützung oder Ergänzung die Abwertung von Personen und/oder Personengruppen zu kommunizieren. Das Ziel dabei: diese Personen zu schädigen.
Hornuff beklagt, dass Hass im Netz bislang vor allem als sprachliche Erscheinung wahrgenommen worden sei. Hassbilder hingegen würden üblicherweise übersehen. Hass im Netz sei keine Naturgewalt, falle nicht vom Himmel: „Wer Hass in naturgewaltige Metaphern kleidet oder – ebenso abwegig – als grassierenden Virus beschreibt, marginalisiert ihn.“
Als Beispiel für ein auch aktuell eingesetztes Hassbild nennt der Wissenschafter in seinem Buch die Zeichnung „Der Denunziant“von A. Paul Weber aus dem Jahr 1934. Eine langnasige und großohrige Figur mit einem Bündel Geldscheinen lauscht verstohlen an einer Tür. Die Grafik findet sich auf antisemitisch geprägten Accounts und wird von rechtspopulistischen, neofaschistischen und offen fremdenfeindlich auftretenden Usern verwendet. Interessant dabei: Beim Original ist es nicht klar, ob es sich um karikierende Regimekritik oder um eine Desavouierung der jüdischen Bevölkerung handelt.
„Hassbilder fördern Gewalt – unabhängig von der politischen Gesinnung“, betont Hornuff. So würden etwa in radikalen Antifa-Kreisen massenhaft Bilder offenkundig verletzter Polizisten gepostet. In Kombination mit höhnischen bis menschenverachtenden Kommentaren signalisierten diese Fotografien „eine beispiellose Qualität der Erniedrigung“.
In Österreich ist die 36-jährige Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig eine Expertin für das Thema Hass im Netz. „Derzeit sind Verschwörungstheorien enorm auffällig“, sagt sie. Dabei gehe es häufig gegen Milliardäre, allen voran gegen Bill Gates, die angeblich die Coronakrise nutzten, weil sie irgendwelche dunklen Pläne hätten.
In manchen dieser Verschwörungstheorien würden antisemitische Narrative deutlich, dann werde etwa auch die Familie Rothschild erwähnt, die angeblich mit Bill Gates im selben Boot säße: „Es sind also durchaus bestehende Feindbilder – globale Eliten, Juden –, die aktuell als Sündenböcke benutzt werden.“
Zudem komme es – auch im deutschsprachigen Raum – zu rassistischen Äußerungen über Chinesen. „Zum einen wird Chinesen die Schuld am Virus vorgeworfen, zum anderen kann es auch offline zu Rassismus gegenüber Menschen mit asiatischer Herkunft kommen.“In den USA sei dies, so Brodnig, besonders deutlich erkennbar, da dort sogar der US-Präsident Donald Trump vom „Chinese Virus“spricht und seine Fans dies dann wütend nacherzählen.
Die Coronakrise wird laut Ingrid Brodnig auch dazu genutzt, um wütend machende Behauptungen über bestehende Feindbilder – etwa über Muslime – zu verbreiten. Auch Falschmeldungen über infizierte Flüchtlinge, die nach Kärnten gekommen seien, um das Virus zu verbreiten, habe sie gesammelt: „In Ausnahmesituationen wird gegen die üblichen Feindbilder mobilisiert.“
„Hassbilder fördern die Gewalt.“
Daniel Hornuff, Kulturwissenschafter