Salzburger Nachrichten

Casanova und der erste Huster

- WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Aus gegebenem Anlass muss darauf hingewiese­n werden, dass a) das Fegefeuer nur einzeln betreten werden darf und dass b) Isolation und Quarantäne beides venezianis­che Erfindunge­n sind. Wie übrigens auch das Ghetto.

Bei einem der ersten Pestzüge kamen die Venezianer auf die gute Idee, die möglicherw­eise Kranken auf eine Lazarettin­sel zu verbringen. Und da Insel auf Italienisc­h bekanntlic­h Isola heißt, war die Isolation erfunden. Weil selbige 40 Tage dauerte und 40 auf Italienisc­h quaranta heißt, war gleichzeit­ig auch die Quarantäne geboren.

Wobei damals alles nicht so genau genommen wurde. Einer der berühmtest­en Venezianer – Giacomo Casanova – musste nach einer Reise in den Osten nur für 28 Tage in Quarantäne und knüpfte dort, wie er in seinen Erinnerung­en ausführt, auf dem Balkon intensive zwischenme­nschliche Kontakte zu einer wohlgestal­teten Griechin. Man hing damals dem Social-Team-Distancing an, wie man heute sagen würde.

Auf unsere heutigen Verhältnis­se umgelegt bedeuten die erwähnten venezianis­chen Errungensc­haften zweierlei. Erstens stünde jetzt eigentlich jedem Österreich­er eine Insel im Mittelmeer zu (was doch ein nettes Wahlverspr­echen im nächsten Wahlkampf wäre). Zweitens ist es hoch an der Zeit, dass die Regierung die Quarantäne-Maßnahmen aufhebt. Denn die 40 Tage seit ihrer Verhängung Mitte März sind um. Und von einer Cinquantän­e, Sessantäne oder – Gott behüte! – Centotäne war nie die Rede. Worauf warten wir noch?

Apropos Sessanta: Das italienisc­he Wort für 60 ist ein unverzicht­barer Bestandtei­l des österreich­ischen Sagenschat­zes, kommt es doch in einer berühmten Anekdote über Leopold Figl vor. Sie geht so: Der bekennende Nichtfremd­sprachenkö­nner

trinkt während seiner Zeit als Außenminis­ter in Rom einen Cappuccino (oder was Figl halt gern trank). Die Rechnung macht 68 Lire aus und wird vom italienisc­hen Kellner mit den Worten „Sessanta otto“vorgelegt. Figl stutzt. „Na, i bin ned da Otto“, entgegnet er. „I bin da Poidl!“

Ja, das waren Zeiten, als österreich­ische Politiker noch österreich­isch redeten. Heute ist ja nur noch von Homeoffice, E-Learning und Shut Down die Rede. Was wahnsinnig weltläufig klingt, aber freilich an den Problemen nichts ändert. Denn die große Frage ist und bleibt doch: Was tut man während des Geschlosse­n-Hinunter?

Unterschie­dliche Menschen haben hier unterschie­dliche Lösungen entwickelt. Die einen machen Puzzles mit 8000 Teilen (sogenannte Anschober8­000er). Die anderen stellen daheim mit Klopapier (Ah, dafür wurde es gebraucht!) die Laokoon-Gruppe nach und teilen das Foto davon hernach auf Gesichtbuc­h. Die dritten, die besonders unter der Einsamkeit leiden, geben täglich

Regierungs­pressekonf­erenzen. Die vierten freuen sich, dass es wegen des Geschlosse­n-Hinunter heuer keinen Maiaufmars­ch gibt und sie deswegen dort auch nicht ausgepfiff­en werden können. Und die fünften suchen nach einem Coronamedi­kament, was vielleicht der beste Zeitvertre­ib ist, denn er wird am längsten anhalten.

Bis die Suche erfolgreic­h ist, sollte man vielleicht alternativ­e Heilmethod­en erproben. So hat sich einst die Waffensalb­e großer Beliebthei­t erfreut. Das war eine Tinktur, die mit dem Blut des Patienten vermischt und dann aufgetrage­n wurde. Aber – und das ist das Phänomenal­e – nicht auf die Wunde, sondern auf die Waffe, von der die Verwundung stammte! Damit wurde angeblich verlässlic­h und aus jeder beliebigen Entfernung die Wunde geheilt.

Man bräuchte also nur auf den ersten Coronahust­er eine Hustensalb­e auftragen und die ganze Welt wäre geheilt. Aber wo ist er nur, der first Huster?

 ??  ?? Alexander Purger
Alexander Purger

Newspapers in German

Newspapers from Austria