Na, heute Abend schon was vor?
Das soziale Leben da draußen steht still. Kein Achterl Rotwein am Künstlerstammtisch, kein Kartenspielen im Beisl, kein Abhotten im Club, nicht mal ein flotter Dreier geht sich aus, weil: Versammlungsverbot. Aber virtuell ist alles möglich. (Ja, auch der Dreier!) Im Internet steht gar nichts still, im Gegenteil – im Netz geht’s ab. Denn jetzt sind wir alle zu Hause, jetzt sind wir alle online. Und plötzlich funktioniert, was sich vorher niemand vorstellen konnte: Meetings, für die man um die halbe Welt geflogen ist, werden über Conference Calls abgehalten, Arbeitgeber, die strikt gegen Homeoffice waren, merken, aha, geht ja doch. Es ist außerdem faszinierend, wie sich innerhalb kürzester Zeit das gesamte kulturelle Erleben ins Internet verlegt hat. Damit meine ich nicht (nur) Netflix und andere Streamingdienste, die uns durch Filme und Serien auf die Couch fesseln, wo wir hingehören, nein, ich spreche von Konzerten und
DJ-Sets, von Arthouse und Theater, von Ausstellungen und Lesungen. Bisher, das muss man klar sagen, hat die Kulturszene das Netz oft vernachlässigt. Gab es zum Beispiel eine Museumsausstellung, fand die offline statt, und online konnte man maximal die Tickets dafür kaufen. Buchhandlungen
Mareike Fallwickl
haben sich auf ihre Verkäufe im realen Leben konzentriert, Theaterstücke wurden auf echten Bühnen aufgeführt, Punkt. Jetzt sind die Filmfestivals abgesagt, die Buchhandlungen geschlossen, die Kinosäle leer – und das Netz wird zur Bühne. Einen Vorteil haben jene, die sich bereits vorher auf diversen Kanälen um die User bemüht und sich virtuell einen Namen gemacht haben, aber viele andere rüsten mit beeindruckender Schnelligkeit auf. Und das Gute an Leuten, die im Kreativbereich arbeiten, ist natürlich: Sie sind kreativ. Es gibt Kabarett, Museumsführungen, kuratierte Kinoprogramme, Live-Sets aus leeren Clubs. Das Literaturhaus Graz bietet die Reihe Corona-Tagebücher mit namhaften Autor*innen, unter „My darling quarantine“finden sich Kurzfilme der Shortfilmfestivals von Cannes, Berlin, Venedig und Wien. La Cinethek ist eine Filmsammlung voller Klassiker, das Ars Electronica Center macht Tausende Bilder und Videos zugänglich. Das Technische Museum zeigt spannende Experimente für Kinder, die Kunsthalle Wien organisiert jede Woche eine Bastelei. Das Wiener Theater der Jugend spielt online Märchen, und sogar die Wiener Sängerknaben kann man per Stream im eigenen Wohnzimmer singen lassen. Viele Angebote sind gratis, bei anderen kann man spenden, damit die
Kunstschaffenden wenigstens ein kleines Einkommen haben. Wie wäre das im Vergleich gewesen, Quarantäne in den Achtzigern? Festnetztelefonieren viel zu teuer, im Fernsehen nur Rudi Carrell, ab und zu ein unleserliches Fax, und wir hätten Dosenschnüre spannen müssen von Haus zu Haus, um in Kontakt zu bleiben. Da lob ich mir doch das Internet. Denn es ist, auch wenn wir Menschen es oft genug mit Cybermobbing und Hatespeech vergiften, eine großartige Erfindung. Nutzen wir es. Kaufen wir übers Netz in den Buchhandlungen und Lokalen, die liefern, damit sie nicht verloren gehen. Helfen wir der Kulturszene, lebendig und vielfältig zu bleiben, indem wir die Onlineprogramme wahrnehmen. Googeln Sie mal nach Angeboten, die Sie interessieren, und checken Sie dann Ihren Kalender. Vielleicht sind Sie ja eh zu Hause.
GASTAUTORIN