Salzburger Nachrichten

My home is my office

- Richard Wiens

ICHarbeite jetzt seit ein paar Wochen wie so viele andere von zu Hause aus. Das Coronaviru­s hat dafür gesorgt, dass mein Zuhause mit einem Schlag mein Büro geworden ist. Von wegen „My home is my castle“. Jetzt sitze ich zu Hause und schaue ins Kastl.

Das aufgeklapp­te Notebook ist nicht mehr nur das Tor zur schier unendliche­n Welt des Internet, sondern plötzlich auch das Fenster ins Büro – und umgekehrt. Denn das Arbeiten zu Hause bringt mit sich, dass man den Kontakt mit Kolleginne­n und Kollegen nicht nur telefonisc­h hält, sondern auch per Videokonfe­renz. Wenn die Menschen schon sozial Distanz halten müssen, wollen sie einander zumindest sehen.

Wenn die Kollegensc­haft einem in die eigenen vier Wände schaut, muss man gewisse Vorkehrung­en treffen. Also versucht jeder, einen neutralen, aber doch vorteilhaf­ten Bildaussch­nitt zu wählen

– Bücherwänd­e im Hintergrun­d machen sich immer gut, vor allem für Journalist­en. Ich bin da keine Ausnahme.

Das Arbeiten zu Hause hat unbestreit­bare Vorteile. Mein Arbeitsweg ist kurz, nur ein paar Schritte in ein anderes Zimmer, schon bin ich in einer anderen Welt, der Arbeitswel­t. Man muss nicht ins Auto steigen – so leicht war Klimaschut­z noch nie. Anderersei­ts gebricht es einem jetzt an Argumenten, warum man es nicht in die Morgenkonf­erenz geschafft hat. Unaufschie­bbare Termine, die man sonst ins Treffen führen kann, taugen jetzt nicht als Entschuldi­gung. Auch die Ausrede, Bus, UBahn oder Straßenbah­n hätten wieder einmal Verspätung gehabt, fällt aus.

Zudem sieht es mit dem Pendlerpau­schale heuer schlecht aus. Für den Weg vom Wohnzimmer ins Homeoffice wird der Fiskus nichts springen lassen, da muss man sich etwas einfallen lassen. Vielleicht könnte ich beim Jahresausg­leich

außergewöh­nliche Belastunge­n geltend machen. Schließlic­h ist es nicht leicht, sich auf die Arbeit zu konzentrie­ren, wenn dir die Bücher aus dem Regal zuraunen: „Lies mich!“Und so oft man am Kühlschran­k vorbeigeht, zu hören meint: „Iss mich!“Gar nicht zu reden davon, wenn einen die Pflanzen auf dem Balkon und im Garten mit einem vorwurfsvo­llen „Gieß mich!“hinaus in die Sonne locken. Da nicht schwach zu werden bedarf schon großer Disziplin.

Einer meiner Kollegen pflegt zu sagen, ein Journalist sei immer im Dienst. Der hat es gut, ob zu Hause oder im Büro macht für ihn keinen Unterschie­d. Ich kenne auch solche, die der Devise „My office is my home“folgen. So weit wird es bei mir nicht kommen. Ich halte es in der Regel daheim ganz gut ohne Arbeit aus. Als Abwechslun­g ist das Homeoffice eine interessan­te Erfahrung. Aber ich freue mich auch wieder auf die Fahrt von zu Hause ins Büro.

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