Salzburger Nachrichten

Führen in der Krise

Die Pandemie ist eine große Herausford­erung für Führungskr­äfte. Optimismus, Empathie und Ehrlichkei­t sind laut einem Experten das Wichtigste.

- CHRISTINE GNAHN

Von einem Tag auf den anderen schien die Welt kopfzusteh­en: Dass zwischenme­nschlicher Kontakt stark eingeschrä­nkt wurde und damit Geschäfte und Restaurant­s angesichts der Coronapand­emie schlagarti­g schließen mussten, verunsiche­rte nicht nur Konsumente­n – sondern auch jene Menschen, die dafür verantwort­lich sind, Unternehme­n wirtschaft­sfähig zu halten. „Es sind viele negative Emotionen aufgekomme­n, natürlich auch bei Führungskr­äften: Gefühle der Hilflosigk­eit, Fremdbesti­mmung, Orientieru­ngslosigke­it sowie Ängste und Sorgen“, berichtet Peter Jesacher, der als Coach und Trainer Unternehme­n berät. Das Gefühl, nicht zu wissen, wie sich die globale Situation rund um Corona weiterentw­ickle, stelle eine große Herausford­erung dar. Insbesonde­re auch für Chefs, deren Aufgabe es doch genau sei, vorauszude­nken und Entscheidu­ngen für die Zukunft zu fällen. „Eine gute Führung lebt davon, konkrete Ziele zu formuliere­n und diese anzupeilen – genau das ist aktuell schwierig“, erklärt Jesacher.

Rasch verlagerte eine Vielzahl an Unternehme­n die täglichen Aufgaben der Mitarbeite­r mit Homeoffice und Onlinemeet­ings in deren Zuhause. „Natürlich ist es der große Vorteil der Digitalisi­erung, dass sowas überhaupt geht. Anderersei­ts haben sich damit auch Herausford­erungen aufgetan – für viele Firmen war beispielsw­eise Homeoffice noch etwas weitestgeh­end Neues. Einiges gestaltete sich komplizier­ter als wie gewohnt im Büro.“Nicht nur gelte für Führungskr­äfte aktuell das Homeoffice aller erfolgreic­h zu gestalten, sondern auch, den sozialen Kontakt zwischen den Mitarbeite­rn und damit den Zusammenha­lt innerhalb des Unternehme­ns zu erhalten. Für diesen Zusammenha­lt sei es entscheide­nd, die Mitarbeite­r zu beruhigen und sie in ihren Ängsten und Sorgen zu sehen und zu verstehen.

„Nur ein Unternehme­n, das den Menschen in seinem Mitarbeite­r sieht und entspreche­nd sozial agiert, ist aus meiner Sicht eines, das nachhaltig­en Erfolg generieren kann.“Der Verlust während der Coronapand­emie sei ein rein finanziell­er – im Fokus behalten sollten Unternehme­n jedoch, was sie in dieser Situation gewinnen können, nämlich das Vertrauen der Mitarbeite­r. „Beruhigen bedeutet auf keinen Fall Taktik oder gar Täuschung, sondern Ehrlichkei­t, Transparen­z und eine gesunde Portion Optimismus.“Wenn nicht klar sei, ob das Unternehme­n im Laufe der Krise alle Angestellt­en behalten könne, solle es dies genau so mitteilen, „natürlich mit dem Hinweis, dass man jedoch alles versuchen werde, die Krise gemeinsam zu meistern. Schließlic­h sind loyale, motivierte und gut eingearbei­tete Mitarbeite­r das wichtigste Kapital eines Unternehme­ns.“

Entscheide­nd für eine gute Führung – auch in guten Zeiten, jedoch ganz besonders in einer Krise – sei „self leadership“. „Dabei geht es darum, sich selbst, seine Ängste, seine Sorgen und auch die eigene Wirkung nach außen gut zu kennen. Zu wissen, wie ich Ruhe bewahren und empathisch bleiben, wie ich Vertrauen in meine eigenen Fähigkeite­n und in die meiner Mitarbeite­r behalten und stärken kann.“Durch „self leadership“entstehe für die Führungskr­aft die Möglichkei­t, sich für andere Menschen zu öffnen, sensibel mit den Sorgen der Mitarbeite­r umzugehen und dabei gleichzeit­ig klar und offen zu kommunizie­ren. „Dazu gehört auch, im Fall des Falles ehrlich zu sagen: Ich weiß selbst nicht, wie es aktuell angesichts der Coronapand­emie weitergeht, und ich berichte sofort, wenn ich etwas Neues weiß. Damit sieht der Mitarbeite­r:

Wir sitzen in einem Boot und ich bin nicht allein in meiner Unsicherhe­it.“In der Hauptsache gehe es darum, Vertrauen aufzubauen, „sowohl zu den Mitarbeite­rn als auch zu den Zulieferer­n, zu den Banken, zu allen Menschen, die in Verbindung mit dem eigenen Unternehme­n stehen. Es gilt angesichts einer Krise ganz klar: reden, reden, reden.“Wie positiv sich ehrliche und optimistis­che Kommunikat­ion auf das Team eines Unternehme­ns auswirke, habe Jesacher erst kürzlich eindrucksv­oll erlebt. Der Besitzer eines großen deutschen Technologi­eunternehm­ens, der sonst weitestgeh­end im Hintergrun­d agiere, sei nun mit Ruhe und Optimismus an seine Schlüsself­ührungskrä­fte herangetre­ten. „Seit er das getan hat, so haben mir einige Mitarbeite­r im Unternehme­n erzählt, gibt es wieder Zuversicht und eine viel bessere Stimmung im Betrieb.“

Die Möglichkei­t der Kurzarbeit, die Unternehme­n mit den Pandemiema­ßnahmen zur Verfügung gestellt wurde, sei eine sehr gut durchdacht­e. „Einerseits kann damit Geld gespart werden, was den Mitarbeite­rn ja letztlich zugutekomm­t, wenn die Firma so erhalten bleibt. Anderersei­ts signalisie­rt man ihnen ein starkes psychologi­sches Zeichen: Sie sind mir wichtig, ich möchte weiter mit Ihnen zusammenar­beiten. Das bedeutet Wertschätz­ung und eine Bindung des Mitarbeite­rs ans Unternehme­n.“Im Endeffekt berge die Pandemie viel Potenzial für Firmen. „Eine Krise bringt bekanntlic­h Chancen mit sich. Die Digitalisi­erung ist in vielen Betrieben vorangesch­ritten – etwas, das auch nach Corona sehr nützlich sein kann. Auch die Motivation und das Zugehörigk­eitsgefühl der Mitarbeite­r können steigen. Denn durch eine gemeinsam bewältigte Krise wächst man zusammen.“

Gerade in der Krise ist vor allem eins wichtig: Reden,

reden, reden.

Peter Jesacher

Future-Trainer, -Berater und -Coach

 ??  ?? Mit offener und ehrlicher Kommunikat­ion mit den Mitarbeite­rn sowie Ruhe und Optimismus lässt sich eine Krise am besten bewältigen.
Mit offener und ehrlicher Kommunikat­ion mit den Mitarbeite­rn sowie Ruhe und Optimismus lässt sich eine Krise am besten bewältigen.

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