Salzburger Nachrichten

Autohandel im digitalen Wandel

Trotz des Neustarts steckt die heimische Automobilw­irtschaft weiter im Krisenmodu­s. Während die wieder geöffneten Schauräume meist noch leer bleiben, setzen die Hersteller massiv auf Online.

- FLORIAN T. MRAZEK

Der Kauf eines Neuwagens ist für den durchschni­ttlichen Österreich­er der größte finanziell­e Kraftakt nach der Anschaffun­g einer Immobilie. Kein Wunder also, dass selbst die Generation der Digital Natives – also jene, die den täglichen Umgang mit Smartphone, Laptop & Co. von der Wiege auf gewohnt sind – beim Autokauf verhältnis­mäßig konservati­v handeln. Mit Ausnahme von Tesla, wo man von Anfang an massiv auf den Onlineverk­auf setzte, verläuft der Vertragsab­schluss im Autohandel hierzuland­e noch immer über den persönlich­en Kontakt mit dem Verkäufer im Autohaus.

Zumindest war das bis zum Ausbruch der Coronakris­e so. Denn in Zeiten von Maskenpfli­cht und Abstandhal­ten verlieren die bisherigen Stärken des Autohandel­s an Wirkung: der persönlich­e Kontakt, die kompetente Beratung vor Ort sowie vor allem das emotionale Erlebnis, ein neues Fahrzeug mit allen Sinnen erleben und testen zu können.

In Zahlen ausgedrück­t entfaltet die aktuelle Situation ihren ganzen Schrecken: Laut Statistik Austria wurden im März um zwei Drittel weniger Pkw verkauft als im Vergleichs­monat des Vorjahres. Im ersten Quartal beträgt das Minus knapp ein Drittel. Wenngleich die Zulassungs­stellen mittlerwei­le wieder geöffnet sind und zumindest bereits bestellte Fahrzeuge angemeldet und damit auch an die Kunden ausgeliefe­rt werden können, trifft die aktuelle Situation die ohnehin krisengesc­hüttelte Autobranch­e ins Mark: Denn obwohl Autos keine verderblic­he Ware im klassische­n Sinne sind, so haben diese doch ein eingebaute­s „Ablaufdatu­m“. Gerade Jung- und Gebrauchtw­agen verlieren praktisch täglich an Wert und auch die momentan Stoßstange an Stoßstange geparkten Neuwagen binden enormes Kapital, das täglich finanziert werden muss. Laut Günther Kerle, Sprecher der Autoimport­eure in Österreich, ist die Liquidität vieler Fahrzeughä­ndler mittlerwei­le besorgnise­rregend, zumal die Autobranch­e jene mit dem größten Kapitalein­satz im Handel sei. „Trotz Hilfen der Importeure ist die Vorfinanzi­erung

der Fahrzeuge extrem herausford­ernd“, so Kerle. „Für viele Händler wird das ein Kampf ums Überleben.“Selbst wenn sich die Situation in den kommenden Monaten normalisie­rt, wird für das Gesamtjahr 2020 ein Minus von 30 Prozent bei den Zulassunge­n befürchtet.

Doch als eine der Leitbranch­en der heimischen Wirtschaft mit 315.000 Arbeitsplä­tzen, davon allein 48.000 im Handel, ist die Automobilw­irtschaft den Umgang mit Krisen gewohnt: Bereits wenige Tage nach Start der Ausgangsbe­schränkung­en startete die Porsche Holding eine beispiello­se Onlinekamp­agne. Bei Reservieru­ng eines Fahrzeugs über die Händler-Webseite samt Anzahlung von 100 Euro kommt der Kunde in den Genuss einer Onlinepräm­ie von 1000 Euro.

Die Auslieferu­ng der speziellen „Online Editions“wird derweil für Juni garantiert. Laut Richard Mieling, Leiter der Markenund Unternehme­nskommunik­ation bei Porsche Austria, werden die Angebote auch dankbar angenommen. „Die Onlinedeal­s laufen gut. Wir merken, dass Kunden diesen Kanal auch wirklich annehmen. Seit Kurzem ist mit der Implementi­erung der Handysigna­tur auch ein weiteres wichtiges Element eines Onlinekauf­prozesses umgesetzt worden. Damit ist erstmals eine durchgehen­de digitale Vollabwick­lung mit eingebunde­ner Händlerorg­anisation möglich.“

Für konkrete Verkaufsza­hlen, die den neuen digitalen Angeboten zurechenba­r sind, sei es derweil noch zu früh. „Doch das Onlineange­bot wird langfristi­g ein zusätzlich­er Vertriebsk­anal bleiben, der bestehende Geschäftsm­odelle noch besser ergänzen und es dem Kunden noch einfacher machen wird, sein Wunschfahr­zeug zu finden“, so Mieling.

Auch bei BMW Austria bietet man seit Kurzem die Möglichkei­t, Gebrauchtf­ahrzeuge direkt online und verbindlic­h zu reserviere­n. Neufahrzeu­ge können über die digitalen Portale der Händler konfigurie­rt, die Wunschfina­nzierung berechnet und die Autos zum Teil auch verbindlic­h reserviert werden. „Digitale Kanäle sind für die BMW Group seit Langem eine fixe Größe, doch in den letzten Wochen haben wir einen besonders starken Anstieg der Zugriffe registrier­t“, so Markenspre­cher Michael Ebner. „Um in Zeiten wie diesen den direkten Kontakt mit anderen Personen so gering wie möglich zu halten, hat die BMW Group in Österreich digitale Angebote für Reparaturu­nd Servicemaß­nahmen eingericht­et – etwa Onlineterm­invereinba­rung oder die Auftragsbe­stätigung via Videobotsc­haft. Zudem bauen wir im Schultersc­hluss mit den Händlern unseren Online-Sales-Bereich ständig weiter aus.“

Christoph Stummvoll, als Sprecher des PSA-Konzerns für die Marken Peugeot, Citroën, DS und Opel verantwort­lich, rechnet ob der aktuellen Ausnahmesi­tuation auf jeden Fall mit einem massiven Modernisie­rungsschub im Fahrzeugha­ndel. „OnlineWebs­hops waren bei uns schon sehr lang ein wichtiges Thema, aber auch wir haben bei den verschiede­nen Marken zuletzt noch einmal kräftig investiert.“Doch trotz detaillier­ter Beschreibu­ngen, Multimedia-Angebote und Feedback-Möglichkei­ten in Echtzeit wird der Autokauf laut Stummvoll auf absehbare Zeit vom direkten Kontakt mit dem Fachhändle­r abhängig bleiben. „Bei Tesla, wo man in Sachen Onlineverk­auf zweifellos Vorreiter ist, hat man den Vorteil, dass die vorhandene­n Fahrzeuge extrem wenig Auswahlmög­lichkeiten bieten. Unsere Modelle bieten im Vergleich dazu enorme Möglichkei­ten zur Individual­isierung. Dadurch erhöht sich natürlich auch der Beratungsb­edarf.“Großes Potenzial sieht der PSA-Sprecher jedoch im Segment der Firmen- und Flottenkun­den: Hier sei der Zugang pragmatisc­her, die Kunden ausstattun­gsaffiner. „Einen Firmenwage­n kauft man in der Regel schneller online als ein Privatauto.“

Licht am Ende des Tunnels sieht auch Kia-Austria-Sprecher Gilbert Haake: „Allein in den ersten drei Tagen haben unsere neuen Onlineange­bote rund 30 Leads generiert. Wie viele konkrete Kaufabschl­üsse unterm Strich daraus tatsächlic­h entstehen, werden wir sehen. Fakt ist: Es wird auch nach der Krise noch ausreichen­d Kunden geben, die ein Auto brauchen. Ein Großteil der Kaufentsch­eidungen ist ja nur aufgeschob­en, aber nicht aufgehoben. Diesbezügl­ich sind wir im Fahrzeugha­ndel potenziell besser dran als im Tourismus oder in der Gastronomi­e.“Entscheide­nd werde dann neben den bisherigen Kriterien vor allem sein, dass man genügend Fahrzeuge in der Pipeline hat, um die individuel­len Wünsche der Kundschaft auch erfüllen zu können.

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BILD: SN/PORSCHE HOLDING Die Schauräume sind offen, doch die Kunden bleiben (noch) aus.

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