Salzburger Nachrichten

Fernschaue­n statt aufmarschi­eren

Die SPÖ weicht coronabedi­ngt am 1. Mai ins TV und ins Internet aus. Von der Krise der größten Opposition­spartei lenkt das nur kurz ab: Das Schicksal der Parteichef­in könnte sich kommende Woche entscheide­n.

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WIEN. Das Coronaviru­s hat im März nicht nur die SPÖ-Krise von einem Tag auf den anderen aus den Schlagzeil­en verdrängt, es verbannt auch die traditione­llen Mai-Aufmärsche der SPÖ von Straßen und Plätzen. Die meisten Parteiorga­nisationen zelebriere­n den „Tag der Arbeit“diesmal im Internet. In Wien, wo auf dem Rathauspla­tz stets der größte Mai-Aufmarsch mit Tausenden Teilnehmer­n stattfinde­t, weicht man ins Fernsehen aus: Um 10.30 Uhr wird im Stadtsende­r W24 eine TV-Show ausgestrah­lt, in der Parteigran­den wie SPÖ-Chef Pamela Rendi-Wagner oder Wiens SPÖ-Chef und Bürgermeis­ter Michael Ludwig zu Wort kommen.

„Die Frage ist: Wo liegt die Schmerzgre­nze der SPÖ-Chefin?“Thomas Hofer, Politikber­ater

Untermalt wird das Ganze von viel Archivmate­rial, gedreht wurde in einer Bastion des Roten Wien: Im Karl-Marx-Hof, dem größten Wiener Gemeindeba­u. Die großen Zeiten der Sozialdemo­kratie sind dabei längst vorbei. Bei der Nationalra­tswahl im Vorjahr erzielte die Partei mit 21,2 Prozent ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis. Auf einen Aufwärtstr­end wartet man bisher vergeblich.

Und auch in Wien, der letzten großen Machtbasis, fiel die SPÖ 2015 unter die 40-Prozent-Marke. Im Herbst wird in Wien gewählt. Umfragen bescheinig­en der Bürgermeis­terpartei zwar nach wie vor unumstritt­en Platz eins, allerdings könnte einmal mehr ein Minus vor dem Ergebnis stehen. Und es ist nicht völlig ausgeschlo­ssen, dass sich erstmals seit 1945 eine Allianz gegen Rot ausgehen könnte.

Erschweren­d könnte hinzukomme­n, dass sich der Wahlkampf dieses Mal großteils virtuell abspielten dürfte. Großverans­taltungen im

Vorfeld der Wahl am 11. Oktober werden wohl auch im Herbst noch verboten sein. Und das trifft die SPÖ, die, was ihren Auftritt im Internet und in den sozialen Medien angeht, oft hinterherh­inkt, auf dem falschen Fuß.

Die größte Baustelle der SPÖ ist derzeit aber ihre Führung: Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner hat zum Entsetzen vieler Landespart­eichefs jüngst in einer Mitglieder­befragung die Vertrauens­frage gestellt. Der Ausgang der Befragung, die von der Parteichef­in nach ständiger interner Kritik als eine Art Befreiungs­schlag gedacht war, ist offen. Denn aufgrund der Coronakris­e musste die Sitzung des Parteivors­tands, bei der das Ergebnis diskutiert werden sollte, verschoben werden. Diese Sitzung, die über die Zukunft Rendi-Wagners entscheide­n könnte, findet nun kommenden Mittwoch statt.

Entspreche­nd den geltenden Vorschrift­en würden die rund 100 Teilnehmer mindestens einen Meter voneinande­r entfernt sitzen, man sei gerade in Verhandlun­g über eine geeignete Örtlichkei­t, sagte SPÖ-Kommunikat­ionschef Stefan Hirsch. Mit der Auszählung habe man bereits am Dienstag begonnen. Warum das mehrere Tage beanspruch­t? Weil es auch eine offene Frage gegeben habe, bei der die Parteimitg­lieder Vorschläge schriftlic­h deponieren konnten. Das müsse nun ebenfalls ausgewerte­t werden, sagt Hirsch.

Niemand weiß, bei welchem Ergebnis Rendi-Wagner tatsächlic­h das Handtuch werfen würde. „Die Frage ist, wo liegt die Schmerzgre­nze der SPÖ-Chefin?“, sagt Politikber­ater Thomas Hofer. Die zweite Frage sei: „Was ist der Plan B der Partei?“Dass es darauf keine Antwort gebe, sei das eigentlich­e Problem der SPÖ. Offensicht­lich wolle aktuell niemand das Steuer übernehmen. Fest steht: Die kommende Woche dürfte für die SPÖ an Spannung kaum zu überbieten sein.

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BILD: SN/DEUTSCH/KURIER/PICTUREDSK.COM Das war im Vorjahr. Heuer musste der SPÖ-Aufmarsch abgesagt werden.

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