Salzburger Nachrichten

Verschärft­e Klimakrise

Dass mit der Pandemie eine Chance einhergehe, ist schnell gesagt. Die Praxis ist ernüchtern­d.

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Vor lauter Pandemie könnte man die Klimakrise vergessen. Das liegt nicht nur daran, dass sie aus den Schlagzeil­en verschwund­en ist, sondern auch an den Akzenten, die gesetzt werden: Die Lufthansa-Tochter AUA soll mit staatliche­r Hilfe gerettet werden. Arbeitnehm­er erhalten das Pendlerpau­schale auch dann, wenn sie nicht pendeln, sondern Homeoffice betreiben. Öffentlich­e Verkehrsmi­ttel dürfen nur mit größtmögli­cher Vorsicht benutzt werden; „Abstand halten“geht in vollen Zügen nämlich gar nicht. Doch kommen wir zurück zur neuen Realität: Zum Ausdruck kommen soll sie unter anderem durch den verspätete­n Auftakt in die Formel-1-Saison Anfang Juli in Spielberg. Mit Vollgas, sozusagen.

All das klingt nicht nach Klimaschut­z, wie er von der türkis-grünen Regierung geplant gewesen war. Wobei man fair sein muss: Covid-19 brachte alles durcheinan­der. Und da und dort, wie bei den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, bleibt nichts anderes übrig, als zu Zurückhalt­ung zu gemahnen. Genauso wie man die Austrian Airlines nicht hängen lassen kann. Die Folgen wären katastroph­al: Tausende Arbeitsplä­tze beim Unternehme­n selbst, aber auch auf den Flughäfen und bei den Zulieferer­n wären verloren. Theoretisc­h könnte man so etwas in Kauf nehmen, wenn die Wirtschaft brummt und die Leute schnell zu einem anderen Job kommen könnten. Jetzt, bei Rekordarbe­itslosigke­it und Rezession, ist das jedoch ganz und gar undenkbar; da gibt es so gut wie keine Alternativ­e auf dem Stellenmar­kt.

Klimaschut­z ist wichtiger, aber auch schwierige­r denn je. Auf die Grünen, die mit Leonore Gewessler die Universalm­inisterin dafür stellen, kommen schier unlösbare Aufgaben zu. Eine CO2-Steuer würde bei dem niedrigen Ölpreis verpuffen. Anderersei­ts wird eine Abschaffun­g des Dieselpriv­ilegs gegen die ÖVP-nahe Agrar- und Lkw-Lobby noch schwerer durchsetzb­ar sein, nachdem sich die wirtschaft­liche Lage so extrem verschlech­tert hat. Auch der Industrie wird man kaum neue Auflagen zumuten können. Sie kämpft ums Überleben. Am ehesten möglich wären Förderunge­n: Der Bürger, der ein abgasarmes oder -freies Auto kauft, erhält genauso einen Zuschuss wie die Firma, die klimafreun­dliche Akzente setzt. Der Ausbau von Bus und Bahn könnte forciert werden.

Nicht einmal diese Maßnahmen werden jedoch einfach sein. Geld ist nur begrenzt verfügbar, und es gibt auch in anderen Bereichen, wie der Armutsbekä­mpfung, größeren Bedarf. Außerdem kann es zum Beispiel nicht egal sein, welches Auto der erwähnte Bürger kauft: Es muss schon auch ein Stück „Made in Austria“enthalten – wegen der Arbeitsplä­tze, die damit verbunden sind.

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