Salzburger Nachrichten

General Haftar erklärt sich zum Alleinherr­scher von Libyen

Der Gegner der internatio­nal anerkannte­n Einheitsre­gierung kündigt ein Abkommen über die Machtverte­ilung auf.

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Stephanie Williams, die UNO-Sondergesa­ndte für Libyen, klang vergangene Woche desperat. „Die Sache mit Libyen ist: Wenn du denkst, dass du am Tiefpunkt angekommen bist, dann kommt immer wieder ein neuer Tiefpunkt.“Dieser wurde dann in der Nacht auf Dienstag erreicht.

General Chalifa Haftar, der den Osten des Landes kontrollie­rt, kündigte ein vor fünf Jahren geschlosse­nes UNO-Abkommen über die Machtverte­ilung in Libyen auf. Wie einst Muammar al-Gadafi hatte sich der selbst ernannte Feldmarsch­all in einer streckenwe­ise bizarren Rede

auf eine „Entscheidu­ng des libyschen Volks“berufen. Die „libysche Armee“soll demnach unter seiner Führung ab sofort zur Alleinherr­schaft in Libyen ermächtigt sein.

Auf welche Weise Haftar das „Mandat des Volkes zu dieser historisch­en Mission“erlangt hat, wollte oder konnte er nicht erklären. Wie andere arabische Diktatoren vor ihm hatte er hingegen keinerlei Mühe, ein unter der Vermittlun­g der Vereinten Nationen zustande gekommenes Abkommen für null und nichtig zu erklären.

Die vor fünf Jahren in Marokko geschlosse­ne Vereinbaru­ng sah eine Regierung der nationalen Einheit und einen Präsidialr­at für eine Übergangsz­eit von zwei Jahren bis zu Parlaments­wahlen vor. Zum Chef der Einheitsre­gierung mit Sitz in Tripolis wurde Fayiz al-Sarradsch ernannt, der bis heute im Amt ist.

Haftars Armee, bei der es sich in Wirklichke­it um einen Verbund von Milizen handelt, der von russischen und sudanesisc­hen Söldnern unterstütz­t wird, musste zuletzt eine Niederlage einstecken. In den vergangene­n zwölf Monaten hatte sie vergeblich versucht, Tripolis zu erobern. Nicht nur die libysche Hauptstadt, sondern mittlerwei­le auch ein gut 300 Kilometer langer Küstenstre­ifen wird seit Anfang April aber von der Armee der Einheitsre­gierung kontrollie­rt. Zu verdanken hat al-Sararradsc­h die erfolgreic­he Verteidigu­ng der Interventi­on der Türkei, Katars und protürkisc­her Dschihadis­tenmilizen.

Anstatt sich mit seiner Niederlage abzufinden und eine Einigung mit der erstarkten Regierung in Tripolis zu suchen, macht Haftar nun das genaue Gegenteil: Seine Verbände sollen ihre Offensive fortsetzen. Treibende Kraft dahinter sind das finanzstar­ke Abu Dhabi sowie Ägypten.

Die USA und die UNO haben die Haltung Haftars kritisiert und zu einem sofortigen Ende aller Feindselig­keiten in Libyen aufgerufen. Den 78-jährigen General im Osten des Landes in die Schranken zu weisen dürfte allerdings schwierig werden. Ein auf der Libyen-Konferenz Anfang Jänner in Berlin beschlosse­nes Waffenemba­rgo konnte bisher nicht durchgeset­zt werden, weil es von den Unterzeich­nern der Vereinbaru­ng konsequent gebrochen wird. Und der Start der EU-Mission „Irini“, die seit April mit Flugzeugen und Schiffen das Waffenemba­rgo kontrollie­ren sollte, hat sich immer wieder verzögert. In den kommenden Tagen soll sie endlich starten.

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