Ein Ansturm oder doch weiter Flaute?
Nach über sechs Wochen öffnen Einkaufszentren und Möbelhäuser. Shoppen mit Maske, Abstand und ohne Kaffeeplausch – lockt das die Kunden?
SALZBURG. Es ist ein Satz, der einem Einkaufszentren-Manager noch vor wenigen Wochen nie über die Lippen gekommen wäre. „Einen Riesenansturm wünsch ich mir eigentlich gar nicht“, sagt Marcus Wild, Chef von Österreichs größtem Shoppingcenterbetreiber SES der Spar Gruppe mit Häusern wie Europark, Forum 1, Varena oder Huma Eleven. „Schön wäre ein ganz normaler Einkaufssamstag“, meint er.
An diesem Samstag dürfen nach mehr als sechs Wochen Zwangspause alle Geschäfte in Einkaufszentren sowie Möbelhäuser und große Einzelhändler aufsperren. Ganz normal wird freilich dieser Einkaufssamstag nicht. Für Kunden wie Verkäufer gilt Maskenpflicht und ein Mindestabstand von einem Meter, Gastronomiebetriebe bleiben zu. Sicherheitspersonal und Reinigungskräfte habe man aufgestockt, so Wild. „Und wir fahren etwa im Europark 100 Prozent Frischluft.“Statt Klimaregulierung über Umluft wird nur Außenluft ins Center gepumpt. Ob ein Einkaufsbummel mit Maske, Abstand und ohne Plausch im Kaffeehaus Massen lockt? „Schwer vorherzusagen, die Leute haben aber hohe Eigenverantwortung entwickelt und können mit Distanz umgehen.“Neu sei die Voraussetzung: Gekauft werden darf nicht mehr nur das Lebensnotwendige. „Wir dürfen wieder Spaß beim Einkaufen haben.“
Streng achten werde man auf die Flächenbelegung: Ein Kunde pro zehn Quadratmeter, macht beim Europark mit 36.000 Quadratmetern Verkaufsfläche maximal 3600 Kunden. An Spitzentagen zählt man bis zu 50.000 Kunden, freilich über den Tag verteilt. Einen Teil der 4000 Parkplätze werde man bei Überschreitung als besetzt ausweisen.
Leichter tut man sich da bei Ikea, da es anders als beim Europark nur einen Eingang gibt. „Dort wird exakt gezählt“, sagt Sprecherin Barbara Riedl. 1268 Personen sind im Salzburger Haus erlaubt, dann sperre die Security vorläufig den Zutritt. Ob es samstags einen Ansturm gibt? „Das wissen wir nicht“, sagt auch Riedl. Das Kundeninteresse sei groß. Man habe bewusst entschieden, nicht zu Beginn mit aggressiven Angeboten zu werben, und Click & Collect forciert, also kaufen im Internet und abholen im Markt.
Handelsverbandschef Rainer Will erwartet für Samstag durchaus einen Andrang auf Shoppingcenter und Möbelhäuser. „Gerade junge Leute zieht es wieder in Einkaufszentren, auch wenn die Gastronomie sehr fehlen wird.“Auch bei Möbeln hätten viele Kunden trotz Onlineangebots einen Nachholbedarf. „Die Frage wird sein, ob nach dem Impuls zu Beginn eine nachhaltig hohe Nachfrage folgt“, sagt Will.
Skeptischer sieht es Handelsforscher Wolfgang Richter von RegioPlan: „Auf der einen Seite Angst vor Ansteckung, auf der anderen Sorge um den Job und weniger Einkommen: Gekauft wird da wohl weiter nur, was man braucht.“Das hat sich schon nach Ostern gezeigt. Während Baumärkte und Gärtnereien bei ihrer Öffnung regelrecht gestürmt wurden, herrscht in anderen Teilen des Handels Ernüchterung. Um 75 Prozent sei etwa die Frequenz in Einkaufsstraßen zurückgegangen, auch der Umsatz sei gerade im Textilbereich um 55 Prozent gesunken, bestätigt Will. Buchhändlern und Elektrohandel gehe es etwas besser. Auch kleinere Bezirksstädte würden gegenüber großen Städten besser abschneiden.
Gerade gegenüber internationalen Onlinegiganten brauche der stationäre Handel dringend Unterstützung, sagt SES-Chef Wild. „Wir haben in den vergangenen Wochen einen unglaublichen Digitalisierungsschub erlebt.“Erste Pleiten wie Stefanel, Colloseum oder Vapiano habe es unter Shop-Partnern bereits gegeben, weitere seien zu befürchten. Allein in den 16 Einkaufszentren der SES gehe es um 20.000 Arbeitsplätze. Werde der Handel bei Steuern und Arbeitskosten weiter gegenüber Onlinegiganten benachteiligt, seien die in Gefahr. Wild fordert einen Solidaritätsbeitrag des Onlinehandels. Auch sechs offene Sonntage im Jahr könnten die Benachteiligung senken. „Das ist derzeit aber sicher nicht der dringlichste Wunsch des Handels.“
„Dürfen Spaß beim Einkauf haben.“
Marcus Wild, Shoppingcenter SES