Ein denkwürdiger 1. Mai 2020
Mehr als eine halbe Million Menschen ohne Arbeit, mehr als eine Million Beschäftigte in Kurzarbeit – schon Ende März war die Lage auf Österreichs Arbeitsmarkt so düster wie zuletzt im Jahr 1946. Da stand die Wirtschaft allerdings erst zwei Wochen still, der fortgesetzte Shutdown im April wird die Arbeitslosenzahlen weiter in die Höhe treiben. Das verleiht dem Tag der Arbeitslosen am 30. April besonderes Gewicht. Und der diesjährige Tag der Arbeit am 1. Mai stellt eine Zäsur in der Zweiten Republik dar, deren 75-Jahr-Jubiläum wir dieser
Tage feiern. Die Geschichte des 1. Mai – anfangs als Tag des Kampfes für die Rechte der Arbeitnehmer, später als Tag des Feierns des Errungenen – geht bis ins 19. Jahrhundert zurück.
Am 1. Mai 1890 gingen europaweit Millionen Menschen auf die Straßen, um für die Anliegen der Arbeiterschaft zu demonstrieren, allen voran den Acht-Stunden-Tag. 1919 wurde der 1. Mai in Österreich zum Staatsfeiertag erklärt. Ein Jahrhundert später gibt es, so könnte man mit Blick auf die Arbeitslosenstatistik sagen, nichts zu feiern. Aber dem ist nicht so.
Auch wenn sich die Lage für die Menschen, die in den vergangenen Wochen mit einem Schlag ihre Arbeit verloren haben, derzeit düster darstellt, gibt es für sie Hoffnung. Das ist Sozialreformen zu verdanken, deren Ursprung ein Jahrhundert zurückliegt. Eine davon war das Gesetz zur Einrichtung einer Arbeitslosenversicherung, das am 9. Mai 1920 in Kraft trat. Die hat im Lauf der Geschichte viele Änderungen erfahren – und es wird weitere geben, aktuell wird über die „richtige“Höhe des Arbeitslosengeldes diskutiert –, aber das Prinzip der Solidarität der Beschäftigten mit den Arbeitslosen ist geblieben.
Der Sozialstaat kann Wirtschaftskrisen nicht verhindern. Aber er kann, wie auch die Coronapandemie eindrücklich zeigt, die Folgen für Arbeitnehmer lindern und erweist sich damit als stabilisierender Faktor für die Gesamtwirtschaft. Diese Botschaft wird auch den 1. Mai 2020 überdauern.