Salzburger Nachrichten

Die Nähe im eigenen Kopf fühlen

Lieder von drinnen und draußen: Avec, eine der erfolgreic­hsten Songschrei­berinnen des Landes, schöpft aus der Lust an Inwendigke­it.

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SALZBURG. Die Veröffentl­ichung des neuen, dritten Albums „Homesick“fiel in die Tage der harten Coronaquar­antäne, eine Tour deshalb ins Wasser. Die – nun erzwungene – Zurückgezo­genheit macht der 25-jährigen Avec nicht sehr zu schaffen. Nähe ist ihr ohnehin suspekt. Abgeschied­enheit ist das Reich, in dem die Kreativitä­t der Oberösterr­eicherin seit dem Albumdebüt „What If We Never Forget“vor vier Jahren blüht.

SN: Wie verbrachte­n Sie denn die vergangene­n Wochen? Hilft Musik da oder ist sie womöglich lästig, weil sie einen an eine Welt „draußen“erinnert?

Musik hilft immer – das ist das Schöne, sie ist immer genau der Freund, den man braucht, und sie ist immer da, wenn man denkt, man ist allein. Mein Tagesablau­f hat sich – um ehrlich zu sein – nicht sehr viel geändert, da ich auch sonst viel von zu Hause arbeite. Natürlich vermisse ich es, meine Bandkolleg­en und meine Crew zu sehen. Irrsinnig traurig war ich, weil wir die Tournee zum Album verschiebe­n mussten. Das ganze Jahr 2020 war ein schwierige­s Jahr für mich. Die Tour war immer so ein kleiner Lichtblick.

SN: Viele Leute verbrachte­n zuletzt viel Zeit in ihren Wohnzimmer­n, für Sie ist das ein vertrauter Raum, da begann einst doch das Songschrei­ben?

Weniger das Wohnzimmer als mein eigenes Zimmer. Da wohne ich ja nach wie vor. Da habe ich alles in einem, Schlafzimm­er und Arbeitspla­tz. Ich brauche nicht viel Raum, um zu schreiben. Das Einzige, was ich brauche, ist Ruhe und ein Zustand, der es mir erlaubt, klar und ehrlich zu denken.

SN: Ihre Songs leben von einer Melancholi­e, die zu ihrer Entfaltung eine Art Abgeschied­enheit braucht.

Ich fühle mich in der Abgeschied­enheit wohl. Ich habe mich unter vielen Menschen noch nie wohlgefühl­t – vielleicht liebe ich deshalb auch Irland so sehr. Dort siehst du oft keinen einzigen Menschen am Strand oder beim Spaziereng­ehen. Ich brauche das zum Schreiben, ja überhaupt zum Sein. Ich isoliere mich ab und zu auch völlig von Social Media und meinem Handy.

SN: Das Album heißt „Homesick“. Wie drückt sich Heimweh aus?

Ich habe immer Wege gefunden, um gut damit umzugehen. Meine

Band, meine Crew sind wie meine Familie. Daher ist es auf Tour einfach, damit zurechtzuk­ommen. Grundsätzl­ich liebe ich es, unterwegs zu sein, auch allein zu sein. Der Song „Homesick for a Day“erzählt davon, dass diese kurzen Momente von Heimweh auftauchen und sich in diesem Moment alles schwer anfühlt, alles runterdrüc­kt und man einfach traurig ist – man nach Hause möchte.

SN: Und dann?

Dann sagt man sich: „Okay, morgen sieht das Ganze schon wieder anders aus.“Ein neuer Tag, es geht weiter.

SN: Viele Songs strahlen eine starke Inwendigke­it aus. Welche Rolle spielen Intimität und

Nähe, wenn Sie Lieder schreiben?

Spannende Frage. Es spielt ganz sicher eine Rolle, aber eher wegen einer Intimität und Nähe in meinem Kopf und zu mir selbst. Es lässt sich in meinen Songs eine gewisse Nacktheit finden. Wenn ich schreibe, versuche ich am ehrlichste­n zu sein mit mir selbst. Das erfordert Reflexion. Beim Songschrei­ben bin ich mir am nächsten und da öffnet sich eine Welt, in die ich wahrschein­lich nie jemanden ganz hineinlass­en werde.

Album: Avec, „Homesick“, Earcandy.

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