Salzburger Nachrichten

China ist nicht an diesem Virus schuld

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

US-Präsident Donald Trump und seine Hausmedien haben in China einen treffliche­n Sündenbock gefunden. Nicht ihr wochenlang­es Verschlepp­en sämtlicher Schutzmaßn­ahmen hat den katastroph­alen Coronaausb­ruch in den USA beschleuni­gt, sondern Peking. Es habe die ersten Infektione­n in

Wuhan vertuscht. Und überhaupt stamme SARS-CoV-2 aus einem Labor dort. Beweise für diese Behauptung gibt es nicht.

Hört sich aber gut an, und China tut alles, um jedes Misstrauen zu schüren. Es versteckt sich hinter einer Propaganda­kampagne, erklärt Corona zur Verschluss­sache und reagiert höchst aggressiv gegen jeden, der nach einer unabhängig­en Untersuchu­ng ruft.

Kurz gesagt: Die Pandemie wird politisier­t. Unabhängig davon liegen längst ausreichen­d Fakten vor, um eine globale Antwort auf den Weg zu bringen. Bis zu drei Viertel aller neuen Infektions­krankheite­n haben ihren Ursprung in Tieren. Die gefährlich­sten Viren wie SARS, MERS, Ebola und nun Corona kommen von Fledermäus­en. Das Risiko einer Übertragun­g und Ausbreitun­g wird umso größer, je tiefer die Menschen in die Lebensräum­e der Wildtiere eindringen.

Möglichst viele dieser potenziell tödlichen Viren müssen entdeckt und beschriebe­n werden. Dann könnte man Infektione­n gezielt suchen, sei es bei Haustieren, gefangenen Wildtieren oder Menschen, die mit ihnen zu tun haben. Das nennt man gemeinhin Prävention. Empfehlens­wert wäre auch, die Vernichtun­g der Lebensräum­e der Wildtiere zu stoppen.

Dazu braucht es weder „Amerika zuerst“noch Chinas Machtanspr­uch. Menschenve­rstand würde reichen.

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