Die Krise beflügelt den Podcast-Trend
In den vergangenen Wochen starteten unzählige neue Podcast-Formate. Auch die Machart der Audiobeiträge auf Abruf hat sich geändert. Und sogar ein Virologe ist nun ein Podcast-Star.
WIEN. Jahrelang gab es an der Spitze der Podcast-Charts den gleichen Wettstreit: Entweder lagen die Moderatoren Jan Böhmermann und Olli Schulz mit „Fest & Flauschig“auf der Eins. Oder der ORF hievte sich nach oben, etwa mit der PodcastVariante der „ZiB 2“. Doch seit Kurzem läuft ein Forscher allen den Rang ab: Virologe Christian Drosten mit dem „Coronavirus-Update“.
Der Podcast Drostens ist das beste Beispiel dafür, wie auch die Welt der Online-Audiobeiträge auf Abruf von der Coronawelle erfasst wurde. Vor allem das Angebot ist größer geworden. Viele Macher erhöhten die Schlagzahl ihrer Produktionen – und es wurden bewusst neue Formate
geschaffen. Madeleine Alizadeh, besser bekannt als DariaDaria, hat etwa ihren Podcast „A Mindful Mess“für die Krise adaptiert. Die Reihe, die sich eigentlich um Themen wie Umweltbewusstsein dreht, bot 14 Tage lang geführte Meditationen. „Gerade in psychisch anspruchsvollen Zeiten wollte ich etwas liefern, das Menschen helfen kann“, schildert die Wienerin.
Auch die SN haben einen einschlägigen Podcast gestartet. Dabei wurde das Format „Hinter den Schlagzeilen“von Innenpolitik-Redakteur Marian Smetana zu „Wege aus der Krise“umgewandelt. Die Reihe sei ein Beispiel dafür, dass man selbst während einer solchen Ausnahmezeit Podcasts gut umsetzen könne, sagt Katharina Maier,
Social-Media-Redakteurin und SNPodcast-Verantwortliche. Die Hörer würden auch verzeihen, dass etwa bei Telefoninterviews die Tonqualität leide. Dennoch müssen die Beteiligten kreativ sein. „Wer sich für eine Aufnahme in den Kleiderschrank oder ein stehendes Auto setzt, hat eine bessere Akustik.“
Doch ist in Coronazeiten ebenso die Nachfrage nach Podcasts gestiegen? Maier, die mit SN-Kollegin Sabrina Glas auch die Reihe „Die gefragte Frau“produziert, ortet gestiegene Abrufzahlen. Spotify, eine der populärsten Podcast-Plattformen, gibt sich zurückhaltender. Ob die Nachfrage gestiegen sei, wolle man nicht sagen. Man verweist aber darauf, dass sich zumindest die Art, wie und wo Podcasts gehört werden, geändert habe. So sei freilich der Konsum im Auto auf dem Weg in die Arbeit weniger geworden, während die Audiobeiträge stärker via PC, TV oder Spielekonsole abgespielt werden. Inhaltlich sei ein Trend zu Themen wie Kochen, Heimwerken, Yoga und auch (Corona-)Nachrichten zu erkennen.
Bernadette Kamleitner, Konsumentenpsychologin an der WU Wien, glaubt, dass die Krise den Trend Podcasts durchaus beflügelt hat. Etwa dank des gestiegenen Bedürfnisses nach Information und Unterhaltung.
Doch wird der Effekt anhalten? Kamleitner glaubt, dass (Podcast-) Abos, die in dieser Phase gemacht wurden, erhalten bleiben. Ob die Abos auch weiter breit genutzt werden, hänge davon ab, wie stark neue Routinen in „Normalzeiten“erhalten bleiben. „In jedem Fall hat die Krise viele dazu gebracht, das Medium zu erschließen.“SN-Redakteurin Katharina Maier ist ähnlicher Ansicht. Und sie ergänzt: „Ich glaube, die Mediennutzung ist eine bewusstere geworden. Und davon profitieren auch Podcasts.“
„Viele haben das Medium erschlossen.“
B. Kamleitner, Wirtschaftspsychologin