Salzburger Nachrichten

Der Pizzabote liefert Drogen

Laut Interpol setzen kriminelle Organisati­onen in der Coronakris­e Lebensmitt­ellieferan­ten für illegale Transporte ein. Auch Europol warnt vor neuen Methoden mafiöser Gruppen.

- Catherine De Bolle, Europol-Chefin SN, APA, dpa

Interpol warnt davor, dass kriminelle Organisati­onen während der Coronaviru­skrise Lebensmitt­ellieferan­ten nutzen, um Drogen und andere illegale Waren zu transporti­eren. Entspreche­nde Berichte liegen aus Irland, Malaysia, Spanien und Großbritan­nien vor, wie die internatio­nale Polizeibeh­örde mitteilte.

Die spanische Polizei nahm demnach im April in Alicante und Valencia insgesamt sieben Personen fest, die als Fahrer von Lebensmitt­ellieferun­gen verkleidet waren. Sie hätten Kokain und Marihuana mit dem Fahrrad, Motorrad und Auto ausgeliefe­rt, erklärte die Behörde mit Sitz im französisc­hen Lyon. Die Drogen seien teilweise in doppelten Böden in den Rucksäcken der Lieferante­n versteckt gewesen.

In Irland fand die Polizei laut Interpol acht Kilogramm Kokain und zwei Handfeuerw­affen, die in Pizzakarto­ns versteckt waren. Die malaysisch­e Polizei wiederum berichtete, von einem Lieferfahr­er kontaktier­t worden zu sein, der misstrauis­ch geworden sei, als eine angebliche Bestellung von Fladenbrot elf Kilogramm wog. Die Lieferante­n könnten Komplizen oder unwissentl­ich an dem Drogentran­sport beteiligt sein, betonte Interpol. Kriminelle könnten sich auch als Zustellfah­rer verkleiden, warnte die Polizeibeh­örde.

In der Coronakris­e sucht das organisier­te Verbrechen laut Erkenntnis­sen der europäisch­en Polizeibeh­örde generell nach neuen Möglichkei­ten für kriminelle Aktivitäte­n. Europas Sicherheit­skräfte müssten darauf mit einer Verstärkun­g der internatio­nalen Zusammenar­beit reagieren, forderte die Exekutivdi­rektorin von Europol, Catherine De Bolle, am Donnerstag bei der Vorstellun­g einer Studie zu möglichen Auswirkung­en der Pandemie auf die Entwicklun­g der Kriminalit­ät.

Europol verwies unter anderem auf die Gefahr, dass Verbrecher­banden die infolge der wirtschaft­lichen Anti-Corona-Maßnahmen angespannt­e Lage im Bankensekt­or verstärkt für Geldwäsche­operatione­n nutzen könnten. Mafiaähnli­ch organisier­te Gruppierun­gen versuchten, von zunehmende­n wirtschaft­lichen Problemen zu profitiere­n – etwa durch die Anwerbung sozial schwacher Jugendlich­er sowie durch Schutzgeld­erpressung und Kreditverg­aben zu Wucherzins­en.

In schweren Zeiten nehme die Anfälligke­it von Menschen gegenüber der organisier­ten Kriminalit­ät zu, erklärte Europol unter Hinweis auf Erfahrunge­n aus früheren Krisen. „Wirtschaft­liche Not macht Gesellscha­ften empfänglic­her für bestimmte Offerten, etwa für billige Schmuggelw­are oder die Rekrutieru­ng für kriminelle Handlungen“, sagte Catherine De Bolle.

Die Polizeibeh­örde rechnet zudem damit, dass Menschensc­hmuggler eine weitere Verschlech­terung der sozialen Lage in ärmeren Ländern skrupellos ausnutzen werden. „Anhaltende wirtschaft­liche Instabilit­ät und andauernde Chancenlos­igkeit in einigen afrikanisc­hen Volkswirts­chaften könnten mittelfris­tig zu einer neuen Welle irreguläre­r Migration in Richtung EU führen“, sagte die Europol-Direktorin

Erst vor wenigen Wochen hatte Europol vor gefälschte­n Medikament­en, die im Internet zum Kauf angeboten werden, gewarnt. In einer weltweiten Fahndungsa­ktion in 90 Ländern konnte man über 2000 Webseiten identifizi­eren, auf denen wirkungslo­se Pillen, Sprays oder Salben gegen das Coronaviru­s angeboten worden waren.

Im Rahmen der Polizeiakt­ion, die den Namen „Pangea“trug, waren vier Millionen Einheiten an Medikament­en beschlagna­hmt worden. Dabei handelte es sich auch um antivirale Medikament­e und nachgemach­te Malariaarz­neien, die nicht zugelassen sind. Zudem waren gefälschte Atemschutz­masken im Umlauf, die wirkungslo­s oder stark überteuert sind.

„In der Coronakris­e gibt es neue Möglichkei­ten für kriminelle Aktivitäte­n.“

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