„Wir werden uns irgendwie drüberretten“
Rasch und unbürokratisch wollte die Regierung der Wirtschaft in der Coronakrise helfen. In der Praxis sieht das nicht immer so aus.
WIEN. 15 Mrd. Euro an staatlicher Hilfe hat die Regierung laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck bereits in die von den Anti-Corona-Maßnahmen schwer getroffene Wirtschaft gepumpt. 2,5 Mrd. Garantien für zinsfreie Überbrückungskredite sowie 4,5 Mrd. Euro Steuerstundungen müssen später be- oder rückgezahlt werden. Mehr als die Hälfte entfällt auf Zuschüsse für rund 1,2 Mill. Beschäftigte, für die Kurzarbeit beantragt wurde. Seit voriger Woche können die Firmen die (Teil-)Abrechnungen für März einreichen. Sie werden laut Arbeitsministerium sofort ausbezahlt. Wie viele schon erledigt wurden, ist nicht bekannt.
Abgesehen davon sind bei den Betrieben bisher rund 122 Mill. Euro aus dem Härtefallfonds für Einpersonenund Kleinstunternehmen angekommen. In der laufenden Phase II wurde der potenzielle Empfängerkreis durch gelockerte Vergabekriterien zwar verbreitert. Das sehr komplexe System verschiedener Hilfen und die teils schwierige und zähe Abwicklung stellen viele Unternehmer aber vor Probleme, wie Vizekanzler Werner Kogler einräumte und wie die Reaktionen aus der Praxis zeigen. Dass es Staatshilfe gibt, begrüßen alle, dass sie „rasch und unbürokratisch“sei, wie die Regierung versprochen hatte, sagt kaum einer. Nicht selten fehlt gerade kleinen Unternehmern in der Krise die Zeit, um sich durch die komplizierten und vollkommen unterschiedlichen Prozeduren der Förderstellen zu klicken. Und wenn sie Experten beiziehen, werden die staatlichen Zuschüsse durch deren Honorare aufgezehrt.
Franz Holzer, Eigentümer der kleinen Nobelschuh-Linie Dominici mit zwei Filialen in der Wiener Innenstadt, hat zwar einen staatlich garantierten Überbrückungskredit bekommen, ist darüber allerdings unglücklich. Denn die zusätzliche Verschuldung verschlechtere automatisch das Rating bei Kreditversicherern. Das „zerstört Bilanzen auf Jahre“. Er fürchtet, dass auch das
Aufsperren der Geschäfte nicht die Lösung bringen wird. Denn Personal und Betrieb kosten, während wegen Abstandsregeln und Reisebeschränkungen die Kundenzahl gering bleibt. „Die Situation trifft alle und wird nicht morgen vorbei sein“, so Holzer. Sein Vorschlag: die Staatshilfe auf großzügige Steuergutschriften umzustellen, denn mit 30 bis 50 Prozent weniger Umsatz könne niemand auf Dauer leben.
Die Salzburger Eventmanagerin Ingrid Pabinger hat im ersten Schock ans Aufhören gedacht. Mittlerweile arbeitet sie mit Partnern an einer neuen Homepage und einem Konzept für kleinere Veranstaltungen und Videokonferenzen. „Ich glaube, dass man jetzt kreativ sein muss. Wer jetzt aufgibt, war kein echter Unternehmer“, sagt sie. Die Einzelunternehmerin ist voll des Lobes für die Hilfe, die sei bisher bekommen hat, und vor allem die Tatsache, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt. Die Zuschüsse würden nicht reichen, aber es sei „ein kleines Zuckerl“.
Andere wie Petra Schröckeneder, Gründerin der Salzburger Naturkosmetikmarke Be (...) My friend, oder Manfred Gierlinger, Inhaber der kleinen, auf französische Mode
„Die Probleme werden noch lange dauern.“
Franz Holzer, Dominici
spezialisierten Boutique Le Miroir in Wien-Margareten, sind weniger zufrieden. Trotz der großen Versprechen der Regierung auf viele bürokratische Hürden zu stoßen und am Ende leer auszugehen, das sei besonders frustrierend, sagen sie.
Für Aaron Priewasser, der gemeinsam mit seiner Mutter in Hallein die Genusskrämerei, einen kleinen Feinkostladen mit Lokal, betreibt, kam die Coronakrise zum denkbar falschesten Zeitpunkt: Das Lokal war im Herbst 2019 in ein aufwendig renoviertes 500 Jahre altes ehemaliges Wirtshaus umgezogen und hat expandiert. Auch er musste sich mit einem Überbrückungskredit helfen. „Eigentlich ist das ein Wahnsinn“, meint der Jungunternehmer ernüchtert, er habe doppelt so viele Arbeitsplätze geschaffen und investiert und jetzt müsse er Schulden durch Schulden ergänzen. „Wir werden uns drüberretten“, ist Priewasser überzeugt, aber viele andere könnten sich weitere Schulden nicht leisten.
Der Wirtschaftssprecher der Neos, Sepp Schellhorn, selbst Gastronom und Hotelier, hält die Situation für gefährlich. Er bekomme täglich Hilferufe von Unternehmen, die alleingelassen würden. „Wenn das so weitergeht, wird bald jeder ein Unternehmen kennen, das gestorben ist.“