Aktivitäten von heute prägen das Morgen In der Erfolgsecke sich an eine erfolgreiche Zeit erinnern
Eine Krise ist eine Chance für Sportler und Sportlerinnen, stärker zurückzukommen. Tipps vom Sportpsychologen Thomas Wörz, die nicht nur Sportprofis in schwierigen Zeiten anwenden können.
Der Hashtag #comebackstronger ist recht gebräuchlich, wenn in den sozialen Medien beispielsweise verletzten Sportkolleginnen und -kollegen Mut zugesprochen werden soll. Zuweilen klingt er etwas banal, doch er hat einen tatsächlich tieferen Sinn. Wer in (aufgezwungenen) Pausen gezielt auf Bereiche fokussiert, die im durchstrukturierten Trainingsalltag vernachlässigt werden, der/die kann tatsächlich auf einem höheren Niveau neue Herausforderungen in Angriff nehmen. Aktuell sind Athletinnen und Athleten in ihrem Training eingegrenzt. Wettbewerbe, auf die hintrainiert wurde, sind abgesagt und die Motivation der Protagonisten wird auf die Probe gestellt. Doch wie nach der Krise stärker zurückzukommen? Einige Tipps.
Gestalten und beweglich bleiben!
Gerade unter eingeschränkten Bedingungen soll die Devise lauten: Regisseur des eigenen Lebens zu bleiben und die „Sicherheitszonen“, in denen wir uns aktuell bewegen, aktiv mitzugestalten. Richten Sie sich deswegen in Ihrer Wohnung oder Ihrem Haus mit Themen besetzte Bereiche ein. Da gibt es zum Beispiel die Erfolgsecke, in der Ihre Pokale vergangener Siege stehen, in der Sie auf Fotos und Zeitungsberichte blicken. Verbringen Sie täglich Zeit damit, sich mit Ihrer erfolgreichen Vergangenheit zu beschäftigen. Und in der Abenteuerecke richten Sie sich einen Gleichgewichtsparcours ein, der Sie fordert. Gestalten und beweglich bleiben lautet die Devise.
Kontakt zum eigenen Körper bewahren! Machen Sie sich einen Plan, was Sie vom Aufstehen bis zum Zubettgehen erledigen werden, und legen Sie dabei Wert auf viele kurze Einheiten, die über den ganzen Tag verteilt sind, beispielsweise Mobilisations-, Beweglichkeits-, Koordinations-, Imitations-, Rhythmisierungsübungen und so weiter. Bewahren Sie Kontakt zu allen Wahrnehmungskanälen. Imitationstraining bringt Effekte! So wichtig allgemeine Trainingsprogramme für die eigenen vier Wände sind, so sind Wettkampfübungen derzeit vorrangig wohl nur mental möglich. Die optimale Ausführung des Vorstellungsund Imitationstrainings, mit der Einbeziehung der Sinnesempfindungen, bewirkt auch ohne tatsächliche Durchführung der körperlichen Aktion mentale und motorische Effekte und festigt den gewünschten Bewegungsablauf. Sie haben die Möglichkeit, sportliche Aktionen in der Vorstellung in unterschiedlichen Tempi mental durchzuspielen und zu analysieren, und Sie können sich im Konfrontationstraining vorbereiten, wie Ihr Körper auf unterschiedliche Störfaktoren (z. B. Zuschauer, Konkurrent) oder Bedingungen (z. B. Wind,
Wetter) reagiert, und gewünschte Lösungen kreieren – wie Sie in bestimmten Situationen sein wollen. Die Phase bis zum Wiedereinstieg in den regulären Trainingsbetrieb wird somit nicht nur verkürzt, sondern auch optimiert.
Macher, Zweifler, Konfrontierer?
Die Auseinandersetzung mit sich selbst ist eine Aufgabe, die Tag für Tag zu führen ist. Sind Sie ein Zauderer oder ein Zweifler? Oder ein Macher? Haben Sie die notwendige Bereitschaft, Dinge ohne Wenn und Aber anzugehen – als Konfrontierer? Eine Hilfestellung: Stellen Sie sich eine Linie vor, über die Sie aufrecht mit selbstsicherer Körpersprache schreiten – ein Zeichen, dass Sie die nächste Sache mit Entschlossenheit angehen. Sagen Sie sich: Ich bin bereit, es zu tun! Dieses Überschreiten der „decision line“sollte ein gutes Morgen- und Wettkampfritual darstellen.
Am Abend sind in einem Meditationsritual Selbstwertfragen angebracht, wie: Was ist mir heute gelungen? Auf was bin ich stolz? Was habe ich heute gestaltet und mitgestaltet? Welche sozialen Momente Sie erlebt haben, über welche Kontakte, und sei es digital, Sie sich freuen und mit wem Sie in Kontakt treten möchten/sollten? Denn: Das Wir-Gefühl gibt Stärke und ist eine Kraftquelle! Welche sensorischen Wahrnehmungen Sie heute besonders beeindruckt haben, Ihr Körper-Stabilitätsgefühl, Ihre Koordination, die Speisen, die Sie riechen und schmecken, die Musik, die Sie hörten, und so weiter. Abschließend fragen Sie sich, wie Sie den morgigen Tag gestalten und umsetzen wollen.
Denken Sie an die Zukunft!
Die Aktivitäten von heute prägen Sie morgen. Stellen Sie sich vor, wie Sie nach der Krise dastehen werden: Sie werden beweglicher, geschmeidiger und robuster sein. Autosuggestion ist ein unheimlich wichtiges Instrument, formulieren Sie deswegen einen Leitsatz, der Sie zu Ihrem sportlichen Ziel bringen soll, beispielsweise: „Tag für Tag kreativ und engagiert gestalten!“
Dr. Thomas Wörz ist Psychotherapeut und Sportwissenschafter und war als aktiver Leistungssportler u. a. Olympiateilnehmer im Viererbob und Leichtathletik-Staatsmeister. Wörz war und ist Mentalcoach von WeltklassesportlerInnen wie Thomas Dreßen, Marlies Schild, Ludwig Paischer und Alisa Buchinger.