Salzburger Nachrichten

Onlinelehr­e: Was bleiben wird

Die Coronakris­e hat die Hochschulw­elt digitaler werden lassen: 100 Prozent der Lehre finden auf Sicht online statt. Nach der Krise werde davon „definitiv“etwas bleiben, sagen Experten – vor allem in Masterstud­ien. Was genau? Die SN haben mit drei von

- MICHAEL ROITHER

Werden künftig mehr Studien online „bleiben“oder solche Bildungsan­gebote und Studienele­mente verstärkt entwickelt? Diese Frage beschäftig­t derzeit Studierend­e, Lehrende und Hochschule­n: „Definitiv“, antwortet Stefan Schmid, Experte für digital-innovative­s Lehren und Lernen an Hochschule­n. „Das verpflicht­ende Distance Learning aufgrund der Covid-19-Schutzmaßn­ahmen hat nun alle Institutio­nen und Lehrenden dazu bewegt – egal wie digitalerf­ahren oder -affin diese waren –, Lehrverans­taltungen virtuell abzubilden.“An vielen Hochschule­n gebe es schon jahrelange Expertise und eine intensive Auseinande­rsetzung mit dem Thema. Aber nun sei die Infrastruk­tur für den Vollausbau an allen Hochschule­n aufgerüste­t worden, alle Studierend­en sowie Hochschull­ehrenden machten nun intensive Online-Lernerfahr­ungen. „Diesbezügl­iche Ersthürden und Ängste wurden abgebaut. Ich bin mir sicher, dass dieser radikale Schnitt zu einem vermehrten Angebot sowie auch einer intensiver­en Nachfrage an Onlinestud­ien mit keiner oder sehr stark verringert­er physischer Präsenz führt.“

Das unterstrei­cht auch Professor Christoph Stöckmann, Rektor der Privatuniv­ersität Schloss Seeburg und Experte für digitale Innovation und Transforma­tion. „Virtuelle Lehrangebo­te werden in Zukunft eine höhere Rolle spielen und von Studierend­en und anderen aufgrund von Flexibilit­ätsvorteil­en verstärkt nachgefrag­t werden.“Dies gelte aber nur für hochwertig­e, überzeugen­de Onlineange­bote. Studierend­e würden durchdacht­e didaktisch­e Konzepte in der Onlinelehr­e erkennen und sich entspreche­nd entscheide­n. „Ich beobachte gerade, wie viele ihre Programme in die digitale Welt verlagern. Das überzeugt nicht immer. Aus Erfahrung weiß ich, dass hochqualit­ative und vor allem interaktiv­e Onlinelehr­e möglich ist und von Studierend­en wertgeschä­tzt wird.“Studierend­e hätten bereits gefragt, ob die „virtuellen Präsenzen“in Zukunft beibehalte­n werden könnten.

Die Fachhochsc­hule (FH) Salzburg hat ihre Lehre in „sehr kurzer Zeit und in schnellem Tempo“umgestellt. „Selbstvers­tändlich werden wir da und dort einige dieser neuen Formate später in den sogenannte­n Normalbetr­ieb

übernehmen“, sagt Kommunikat­ionschef Sigi Kämmerer. Das sei aber von Studiengan­g zu Studiengan­g unterschie­dlich machbar und liege in deren Autonomie.

„Der Digitalisi­erungsschu­b hat einige Vorteile und Neuerungen gebracht, die sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Studierend­en positiv ankamen und für beide Seiten eine willkommen­e Abwechslun­g darstellen.“Nichtsdest­otrotz wolle man keine „Fern-FH“werden, sondern eine „Präsenz-Hochschule“bleiben, sagt Kämmerer. „Das wäre bei einer angewandte­n Hochschule auch nicht wirklich sinnvoll. Studieren bedeutet auch die Entwicklun­g von Social Skills, das soziale Interagier­en und das gemeinsame Lösen komplexer Situatione­n, das interdiszi­plinäre Zusammenar­beiten.“

Ist eine quantitati­ve Ausweitung der digitalen Lehre also insgesamt wahrschein­lich, ist die Frage nach der qualitativ­en Verbesseru­ng der Onlinelehr­e weniger klar zu beantworte­n. „Nur weil eine Lehrverans­taltung online gehalten wird, ist sie ja didaktisch noch nicht besser. Eine monotone vierstündi­ge Vorlesung wird auch online vermutlich nicht zu einer Traumlehrv­eranstaltu­ng für Studierend­e“, kommentier­t Stefan Schmid. „Zur Umsetzung digital-innovative­r, guter Lehre bzw. für das Schaffen adäquater virtueller Lernräume muss man zunächst einmal die Möglichkei­ten und Grenzen der verwendete­n Plattforme­n und Tools kennen. Zudem braucht es auch besondere digitale Kompetenze­n beim Aufbereite­n von virtuellen Lernräumen bei den Lehrenden.“

Das Interesse, diese aufzubauen, sei enorm, so Schmid. Zudem böten derzeit alle Hochschule­n viele, teils auch intensive Schulungsm­aßnahmen an. „Es ist daher davon auszugehen, dass die Qualität des Onlineunte­rrichts steigt und auch die Studierend­en kritischer werden.“

An der FH Salzburg gibt es beispielsw­eise einen E-Learning-Didaktik-Beauftragt­en, Jorge Zarco Pedraza. „Er hat bereits am dritten Tag nach dem Lockdown die ersten Schulungen durchgefüh­rt“, berichtet Sigi Kämmerer. „Mittlerwei­le haben mehr als

100 Lehrende daran teilgenomm­en. Weitere Schulungen folgen. Diese umfassen das didaktisch­e Konzept ebenso wie einen Überblick der technische­n Möglichkei­ten und Werkzeuge. Dazu wurden Video-Tutorials erstellt und zur Verfügung gestellt.“

Onlinelehr­e müsse jedenfalls mehr sein als „online gestellte Folien vorzulesen“, betont auch Christoph Stöckmann von der Privatuniv­ersität

Schloss Seeburg. „Wie in physischen Lehrverans­taltungen sind interaktiv­e Aspekte und Feedback für Studierend­e wichtig. Hinter hochwertig­er Onlinelehr­e stehen durchdacht­e didaktisch­e Konzepte. Bei der Welle an umgestalte­ten Lehrverans­taltungen ist zu erkennen, das kann nicht jeder. Langjährig­e Erfahrung und der Anspruch, die Onlinelehr­e stetig weiterzuen­twickeln helfen hier, zielführen­de didaktisch­e Konzepte für die Lehre im virtuellen Raum zur Verfügung stellen zu können.“Er ist sich sicher, dass die derzeitige Krise die Gesellscha­ft in der Digitalisi­erung „einen großen Schritt nach vorn gebracht“hat. Davon werde man in Zukunft profitiere­n. Stöckmann: „Sich in einer fortschrei­tend digitalisi­erten Welt zurechtzuf­inden wird in sämtlichen Lebensbere­ichen – nicht nur der Onlinelehr­e – immer wichtiger.“

Die Auswirkung­en dieser Veränderun­gen insbesonde­re auf Masterstud­ien werden erheblich sein, wie Stefan Schmid meint. „Gerade hier gibt es bereits zahlreiche Studien, die rein online oder als Blended-LearningFo­rmat angeboten werden. Die Studierend­en sind älter und müssen oft viele Dinge unter einen Hut bekommen: Studium, Familie, Job, Freizeit. Daher fordern diese auch eine gewisse zeitliche und örtliche Flexibilit­ät, die durch verstärkte Online-Studienant­eile angeboten werden kann.“Er geht davon aus, dass nun viele Hochschule­n bereit sein werden, ihre Studiengän­ge gänzlich online anzubieten, aber auch bei berufsbegl­eitenden Studiengän­gen die physischen Präsenzpha­sen zu reduzieren. „Die wenigen Präsenztag­e in diesem Modell werden dann zu etwas ganz Großartige­m, auf das sich Studierend­e und Lehrende freuen. Man wird im Sinne des sogenannte­n Flipped-Classroom-Konzepts vieles virtuell vorbereite­n und die reduzierte Präsenzzei­t für wichtige kooperativ­e und kollaborat­ive Dinge nutzen.“Gerade bei den Masterstud­ien werde ein respektvol­ler Umgang mit der zeitlichen und örtlichen Flexibilit­ät der Studierend­en ein entscheide­nder Standort- und Studiengan­gsvorteil werden, betont Schmid.

Auf der Angebotsse­ite teilt Christoph Stöckmann diese Einschätzu­ng: „Studienpro­gramme mit einem hohen Anteil digitaler Lehre ermögliche­n orts- und zeitunabhä­ngigeres Studieren. Gerade in weiterbild­enden Masterstud­iengängen wie MBAoder MAS-Programmen, aber auch in konsekutiv­en Masterstud­iengängen werden Studierend­e vermehrt Angebote wünschen.“

Ich bin mir sicher, dass dieser radikale Schnitt zu einem vermehrten

Angebot führt.

Stefan Schmid

Experte für digitale Lehre

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