Die Natur hat uns eine Pause auferlegt
Schneller, höher, weiter. Der Zwang zum Wachstum, die Beschleunigung und Intensivierung unseres (Wirtschafts-)Lebens haben vielen von uns in den letzten Jahren so manches abverlangt. Viele haben sich nach einer Pause, einem Moment des Durchschnaufens und Innehaltens gesehnt, ohne je die Möglichkeit dazu bekommen zu haben. Jetzt wurde die Entschleunigung sozusagen „von oben“verordnet – wobei „oben“hier nicht die Politik meint, auch wenn sie es ist, die die Entscheidungen trifft. Die Notwendigkeit dazu kommt von höherer Ebene. Von einer Ebene, auf die wir verlernt oder vergessen haben zu hören: die Natur. Alle anderen Warnlichter der letzten Jahre haben wir ignoriert: das Insektensterben, den Ressourcenverbrauch, die Umweltzerstörung und Erderhitzung. Es war uns egal, dass wir weit über die Grenzen der Nachhaltigkeit gelebt und somit bereits begonnen haben, das Grab zukünftiger Generationen und Tausender Tier- und Pflanzenarten zu schaufeln. Wenn es eine höhere, weltenlenkende Macht gibt, egal ob Gott oder Natur, dann ist Corona vielleicht ihr letzter Versuch, uns zur Vernunft zu bringen. Ein Weckruf: „Geben wir ihnen halt noch eine Chance, das Ruder rumzureißen. Vielleicht erkennen sie, wenn man sie dazu zwingt, dass materieller Reichtum nicht alles ist. Dass Beziehungen und Resonanz es sind, die das Leben lebenswert machen.“
Vielleicht schaffen wir es, diesen Weckruf zu verstehen. Vielleicht schaffen wir es, unsere Wirtschaftssysteme wieder regionaler und nachhaltiger zu gestalten. Vielleicht lernen wir zu verstehen, dass „immer schneller, höher, weiter“letztendlich in den Abgrund führt. Dass wir zusammenhalten können und dadurch auch kolossale Herausforderungen überwinden können, wird Corona uns zeigen. Positive Beispiele wie mehr Solidarität und Nachbarschaftshilfe gibt es bereits jetzt. Diese Krise ist, bei all dem Leid und den Verlusten, eine Chance, gemeinsam eine lebenswertere und resilientere Zukunft zu gestalten. Lassen wir sie nicht ungenutzt!
Alois Schläffer