Salzburger Nachrichten

Klimaschut­z als Konjunktur­spritze

Staatliche Hilfen soll es nur für saubere Fahrzeuge geben.

- MARTIN STRICKER

Die Branche steckte bereits mitten im Umbruch. Die europäisch­e Autoindust­rie, allen voran die deutsche, hatte den Abschied vom Verbrennun­gsmotor jahrelang vernachläs­sigt und musste nun – durch massiven Druck der technologi­sch führenden Konkurrenz aus Japan und den USA sowie immer schärfere CO2-Grenzwerte – eingestehe­n, dass die Richtung radikal geändert werden muss. Milliarden­investitio­nen wurden angekündig­t. Der Umstieg von Benzin und Diesel auf Strom ist für VW, den weltweit größten Autobauer, ein Gebot der Stunde.

Und dann kam Corona. Absatz und Gewinn brachen ein, die Produktion war unterbroch­en, Hersteller und Zulieferer meldeten Kurzarbeit an. Nun erschallt der Ruf nach staatliche­r Hilfe, um den Verkauf wieder anzukurbel­n. Und es

stellt sich eine grundsätzl­iche Frage: Wie kann ein Neustart der Wirtschaft erfolgen, ohne den Klimaschut­z wieder über Bord zu werfen? Oder anders herum: Klimaschut­z soll als Konjunktur­spritze dienen.

Manche Autochefs, darunter Daimler-Vorstand Ola Källenius, fordern einfach eine Prämie für den Kauf eines Neuwagens. BMW und VW sind vorsichtig­er und wollen staatliche Zuschüsse an Umweltaufl­agen binden. Von einer „Innovation­sprämie“sprach BMW-Chef Oliver Zipse. In diese Richtung geht auch Niedersach­sens Ministerpr­äsident und Volkswagen-Aufsichtsr­at Stephan Weil (SPD). Fragt sich, wie Auflagen aussehen könnten. Steuergeld, um einen alten Verbrenner gegen einen neuen auszutausc­hen, würde am Problem wenig ändern. Bislang ist noch jede Einsparung im Spritverbr­auch vom Anstieg der Fahrleistu­ngen und immer größeren Fahrzeugen mehr als wettgemach­t worden. „Wenn die Regierung mitten im fundamenta­lsten Branchenum­bruch der Automobilg­eschichte alte Antriebe fördert, verwechsel­t sie Gaspedal mit Bremse“, meint Benjamin Gehrs, Verkehrsex­perte von Greenpeace. Deutschlan­ds Umweltmini­sterin Svenja Schulze kann sich eine Innovation­sprämie zur „Förderung von Autos mit alternativ­en Antrieben“vorstellen. „Sinnvoll wären etwa auch Prämien für die Autoflotte­n sozialer Dienste, die auf Elektroaut­os umsteigen.“Rückendeck­ung bekam Schulze von der Kanzlerin. Sie wies vor wenigen Tagen darauf hin, dass es nun wohl eine „schwierige Verteilung­sdiskussio­n“geben werde. Aber: „Umso wichtiger wird es sein, bei den Konjunktur­programmen immer den Klimaschut­z ganz fest im Blick zu haben und deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschut­z sparen, sondern dass wir in zukunftsfä­hige Technologi­en investiere­n.“

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