Soziale Distanz am Meer? Italien will Strände öffnen
Die Regionen drängen auf rasche Lockerungen. Um die Sicherheit der Urlauber zu gewährleisten, wird man kreativ.
Bis zum Ausbruch der Coronapandemie war Christian Solinas ein eher unbeschriebenes Blatt in der italienischen Politik. Der Sarde saß ein Jahr lang auf den Bänken der rechten Lega im italienischen Senat. 2019 Jahr wurde er zum Gouverneur der Region Sardinien gewählt. Im März dieses Jahres machte Solinas dann von sich reden: Er erwirkte von der Regierung in Rom die Blockade aller Flug- und Fährverbindungen zum italienischen Festland. Jetzt will er als Erster Touristen zurück auf die Insel holen.
Sardinien sei ab Juni bereit für die Aufnahme von italienischen Touristen, unter besonderen Bedingungen. Wer nachweisen könne, dass er nicht mit dem Coronavirus infiziert sei, solle die Erlaubnis für die Einreise bekommen, sagte Solinas. „Der Test muss maximal sieben Tage vor Reisebeginn erfolgen.“Geplant sind außerdem Zugangsbeschränkungen an den Stränden. Wer Liegen mieten will, muss vorher reservieren. Auch mithilfe von Drohnen wollen die Behörden die Einhaltung der Sicherheitsauflagen kontrollieren.
Wie Solinas drängen in Italien viele Lokalpolitiker auf rasche Öffnungen. Die Zentralregierung reagiert vorsichtig. Die EU-Kommission will am Mittwoch entsprechende Empfehlungen verabschieden. In Italien geht es ein wenig drunter und drüber, jede Region bastelt sich bislang ihr eigenes Korsett, in der Erwartung, dass Rom die Leitlinien setzt und etwa bestimmt, wann freie Fahrt zwischen den Regionen oder gar Reisen aus dem Ausland nach Italien möglich werden.
Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns für die italienische Tourismusbranche sind schon jetzt enorm. Sie trägt normalerweise zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, also etwa 146 Milliarden Euro. Die Verluste zwischen März und Mai liegen laut Italiens Tourismusverband bereits in Milliardenhöhe. Fallen auch die Sommerferien wegen Corona flach, droht vielen Unternehmen der Konkurs. Der erste Juni gilt deshalb als eine Art Schicksalstag.
Die Südtiroler Landesregierung erlaubt Hotels und anderen Herbergen bereits ab 25. Mai die Öffnung. Auch Ligurien hat es eilig. Der weltberühmte Küstenstreifen Cinque
Terre ist auch für viele Italiener derzeit ein Traumziel. „Es genügt, wenn die Badegäste voneinander Abstand halten“, sagte Regionspräsident Giovanni Toti über den drohenden Ansturm. Freiwillig könnten sich Badegäste ein elektronisches Armband anlegen, das vibriert, sobald eine andere Person näher als einen Meter kommt.
Toti erlaubte jetzt schon die Öffnung von Pensionen und Agriturismo-Betrieben. Ab 18. Mai dürfen sich die Ligurer frei durch die Region bewegen. Landesweit ist das nicht möglich. Wandern, Reiten, Klettern, Segeln sind unter Einhaltung des Mindestabstands erlaubt.
Tourismus- und Kulturminister Dario Franceschini machte allen Europäern Hoffnung, die Sehnsucht nach dem Süden haben. „Es ist wichtig, dass die Reisefreiheit von Touristen in der EU möglich ist, sobald die epidemiologischen Daten das erlauben“, sagte er. Man bemühe sich um einheitliche Regeln und Bescheinigungen. „Das habe ich zusammen mit vielen anderen Amtskollegen der EU-Kommission vorgeschlagen.“
Wer derzeit nach Italien einreist, muss zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Für den Urlaub nicht gerade eine verlockende Aussicht.
„Es genügt, wenn die Badegäste voneinander Abstand halten.“Giovanni Toti, Regionalpräsident von Ligurien