Salzburger Nachrichten

Stromkoste­n könnten durch Corona steigen

Die Ausgangssp­erren drücken auf den Stromverbr­auch. Mittelfris­tig erwarten Experten und E-Wirtschaft noch andere Folgen.

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WIEN. Der coronabedi­ngt verordnete Stillstand trifft auch die Elektrizit­ätswirtsch­aft ziemlich kalt. Von März bis Anfang Mai ist der Stromverbr­auch in Österreich – bereinigt um das Ende der Skisaison – um gut ein Fünftel zurückgega­ngen – ähnlich wie in Deutschlan­d und den Niederland­en. An den Strombörse­n sind die Großhandel­spreise von mehr als 40 auf 20 Euro je Megawattst­unde eingebroch­en. Florian Haslauer, Energieexp­erte und Partner beim Berliner Consulter e.venture, rechnet damit, dass die Großhandel­spreise bis 2022 um zehn bis 20 Prozent unter dem Vorkrisenn­iveau liegen werden. Auch der Stromverbr­auch werde nach dem Coronascho­ck, der stärker als die Finanzkris­e 2008 sei, nur langsam steigen.

Die Haushalte werden die niedrigere­n Börsenprei­se nur sehr langsam merken. Denn die Versorger kaufen Strom ein bis eineinhalb Jahre vorher ein. Und einige zahlen mitunter jetzt kräftig drauf, weil sie die überschüss­igen Mengen mit Verlusten auf den Spotmärkte­n verkaufen mussten. Haslauer schätzt den Schaden in Österreich auf rund 50 Millionen Euro. Große Landesvers­orger sind für solche Fälle mehr oder weniger abgesicher­t, aber auch sie werden die Krise 2020 spüren, wie unter anderem Wien-Energie-Geschäftsf­ührer Michael Strebl sagt. Für die wenigen unabhängig­en kleineren Stromanbie­ter könnte es eng werden, was den nicht überborden­den Wettbewerb noch weiter dämpfen würde.

Mittelfris­tig könnten die Stromrechn­ungen der Haushalte durch die Coronapand­emie sogar steigen. Der Verbrauchs­rückgang – e.venture rechnet in Österreich im Gesamtjahr mit fünf bis sieben Prozent – trifft auch die Netzbetrei­ber. Sie können die Einnahmena­usfälle nächstes Jahr in ihre Netztarife einrechnen, ebenso wie Zusatzkost­en für Netzmanage­ment, etwa durch Homeoffice. Haslauer sieht hier „einen gewissen Druck in Richtung Steigerung der Netzentgel­te“.

Heißer werde die Debatte in Deutschlan­d, wo wegen Covid-19 eine Erhöhung der Erneuerbar­enEnergie-(EEG-)Umlage droht. Niedrigere Börsenprei­se und sinkender Verbrauch haben das EEG-Konto, von dem die Förderunge­n an Windund Sonnenstro­merzeuger bezahlt werden, bereits auf den niedrigste­n Stand seit sechs Jahren sinken lassen. Spätestens im Juli werde es negativ sein, dann müsse die Politik reagieren. Die Berater gehen von einer Steigerung von derzeit 6,8 auf acht Cent pro Kilowattst­unde aus.

Die heimische Ökostromzu­lage wird sich durch Corona nicht verändern, ebenso wenig wie Wind- und Sonnenstro­mausbau. Der hängt stärker vom neuen Ausbaugese­tz ab, das laut Energiemin­isterin Leonore Gewessler noch vor dem Sommer in Begutachtu­ng gehen soll.

„Die Krise trifft vor allem die alternativ­en Vertriebsf­irmen.“

Florian Haslauer, e.venture

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BILD: SN/KADMY - STOCK.ADOBE.COM Die Stromverso­rgung hat sich als sicher erwiesen.

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