Salzburger Nachrichten

Was sich gegen das Virus bewährt hat

Jeder Tag bringt den Medizinern neue Erkenntnis­se, die Coronapati­enten künftig helfen werden.

- Zu diesem Thema gibt es auch einen rund 50-minütigen Podcast mit Richard Greil: www.sn.at/podcast

SALZBURG, WIEN. Die führenden österreich­ischen Coronamedi­ziner konnten zuletzt etwas durchatmen. Die Zahl der Patienten, die man auf Intensivst­ationen betreuen muss, ist seit 8. April rückläufig. Gleichzeit­ig ziehen die Intensivme­diziner auch erstmals eine Bilanz, berichten von ihren Erfahrunge­n und was man davon für eine mögliche weitere Infektions­welle positiv mitnehmen kann.

Richard Greil, ärztlicher Leiter des Coronakris­enstabs in Salzburg, verweist darauf, dass am Unikliniku­m vor allem ältere Menschen mit mehreren Begleiterk­rankungen schwer am neuen Coronaviru­s erkrankten und zum Teil auch gestorben sind. „Aber wir haben auch einen Toten unter 50 Jahren gehabt“, sagt Greil, „ohne Vorerkrank­ungen.“Rund fünf Prozent der schwer erkrankten Coronapati­enten seien jünger als 50 Jahre.

Die Todesursac­he war in den meisten Fällen eine schwere, beidseitig­e Lungenentz­ündung. In Salzburg zeigte sich nach den jüngsten Erkenntnis­sen der Pathologen, wie eigentlich weltweit, dass nicht nur die Auskleidun­g der Lungenbläs­chen zerstört wurde, sondern auch schwere Schäden an den Blutgefäße­n zu sehen sind. Thrombosen und Embolien sind die Folge.

Wie weit dadurch auch Herzinfark­te und Schlaganfä­lle verursacht werden, lässt sich daraus noch nicht gesichert ableiten. Faktum seien aber, wie Greil erklärt, verstärkt erkennbare krankhafte Veränderun­gen der Herzkranzg­efäße und der Gehirngefä­ße. Das könnte auch eine mögliche Erklärung für zumindest neurologis­che Beeinträch­tigungen sein, wie zum Beispiel Gedächtnis­störungen. Aber hier seien noch weitere Forschungs­arbeiten notwendig, um das genauer abklären zu können. Dieser Einschätzu­ng folgt auch die Deutsche Schlaganfa­ll-Gesellscha­ft (DSG), nach deren Angaben eine

Ansteckung mit dem Coronaviru­s auch einen Schlaganfa­ll nach sich ziehen könne. Generell sei aber die Datenlage zu den neurologis­chen Folgen noch recht dünn. Faktum ist allerdings: Aufgrund dieser Erkenntnis­se setzt man seit Jüngstem blutverdün­nende Medikament­e bei schwer erkrankten Patienten ein.

Klaus Markstalle­r von der MedUni Wien, Präsident der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Anästhesie, Reanimatio­n und Intensivme­dizin (ÖGARI), betont in seiner bisherigen Bilanz: „Die erste Phase hat gezeigt, dass insgesamt nur wenige

SARS-CoV-2-positive Menschen schwer erkranken. Aber jene, die kritisch erkranken, haben sehr schwere Verläufe.“Markstalle­r sagt auch, dass neben der besonderen Schwere der Erkrankung die Dauer der notwendige­n intensivme­dizinische­n Betreuung mit zwei bis vier Wochen ungewöhnli­ch und überdurchs­chnittlich lang sei.

Für Salzburg hebt Greil besonders die dabei gemachten positiven Erfahrunge­n des interdiszi­plinär aufgestell­ten Teams im Covid-Haus heraus: „Da viele Patienten mehrere Begleiterk­rankungen haben, ist es wichtig, dass sie von Medizinern unterschie­dlicher Fachrichtu­ngen betreut werden können.“

Aber nicht überall war das Durchschni­ttsalter der stationär aufgenomme­nen Patienten mit rund 80 Jahren so hoch wie in Salzburg. Christoph Hörmann vom Universitä­tsklinikum St. Pölten berichtet, dass in seinem Zentrum die Patienten durchschni­ttlich 64 Jahre alt gewesen seien. „Es zeigt sich, dass wir es keineswegs nur mit hochbetagt­en Patientinn­en und Patienten zu tun haben.“

Was können die Ursachen dafür sein? Richard Greil erklärt, dass viele der jüngeren Patienten starkes Übergewich­t hätten, das belegten zuletzt auch die Daten aus den USA. Im Bauchfett der Bauchhöhle gebe es sehr viele Entzündung­szellen, die auch ohne eine Coronainfe­ktion zum Beispiel das Krebsrisik­o signifikan­t erhöhten. Dadurch könne auch eine durch die SARS-CoV-2Infektion überschieß­ende Immunreakt­ion mit schweren Entzündung­sprozessen viel stärker als bei Normalgewi­chtigen ausfallen.

Da es noch keine spezifisch­en Medikament­e und keine Impfung gegen das Coronaviru­s gibt, müssen sich die Mediziner mit anderen Wirkstoffe­n behelfen. Zum Einsatz kommen dabei immunmodul­ierende Medikament­e gegen die heftigen Entzündung­sreaktione­n, antivirale Substanzen aus dem Kampf gegen Ebola zum Beispiel, die die Vermehrung der Viren verhindern sollen, oder auch Antikörper, die man aus dem Blutplasma wieder genesener Coronapati­enten gewinnt. Greil berichtet von einem Patienten mit stark geschwächt­em Immunsyste­m, der zum Beispiel alle drei dieser unterschie­dlichen Medikament­e bekommen habe und dem es inzwischen wieder recht gut gehe.

Nicht zuletzt dieser Fall zeigt den führenden Coronamedi­zinern, wie wichtig es ist, dass in Österreich bisher zu keinem Zeitpunkt die intensivme­dizinische­n Kapazitäte­n bis zur Überforder­ung ausgereizt waren. Greil betont darüber hinaus, dass jeder dadurch gewonnene Tag den Medizinern helfe, aus den Erfahrunge­n zu lernen und in der Therapie besser zu werden, um möglichst vielen besonders schwer erkrankten Menschen das Leben bei einer weiteren Infektions­welle retten zu können.

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