Salzburger Nachrichten

Gendefekt könnte Schuppenti­ere vor Coronaviru­s schützen

Beim Menschen kann das Virus entzündlic­he Immunreakt­ionen auslösen, nicht aber bei den Tieren. Ein Therapiean­satz?

- Schwi

Neben den Fledermäus­en könnten vor allem Schuppenti­ere, wie das Pangolin, mögliche Überträger des neuen Coronaviru­s sein. SARS-CoV-2 ähnelt genetisch den bei diesen Tieren gefundenen Viren zwischen 85 und 96 Prozent. Beide Tiergattun­gen verfügen offenbar über ein spezielles Immunsyste­m, das sie selbst vor den Viren schützt. Forscher an der MedUni Wien haben sich in einer Studie bei Gürteltier­en die besonderen Abwehrmech­anismen auch im Hinblick darauf angeschaut, ob sich daraus nicht mögliche Therapiean­sätze für Menschen entwickeln lassen.

In der Studie unter Leitung von Leopold Eckhart von der Universitä­tsklinik für Dermatolog­ie, die im Wissenscha­ftsjournal „Frontiers in Immunology“veröffentl­icht wurde, fanden die Forscher heraus: Den exotischen Tieren fehlen zwei Sensoren, die eindringen­de Viren erkennen und bei anderen Säugetiere­n eine – manchmal gefährlich überschieß­ende – Immunantwo­rt auslösen.

Um Unterschie­de in der Virusabweh­r zu identifizi­eren, analysiert­en die Forscher die in Datenbanke­n verfügbare­n Gensequenz­en von Schuppenti­eren und verglichen sie mit anderen Säugetiere­n, einschließ­lich Menschen, Katzen, Hunden und Fledermäus­en. Leopold Eckhart erklärt: „Unsere Arbeit zeigt, dass Schuppenti­ere Millionen

von Jahren der Evolution ohne eine Form der antivirale­n Abwehr überlebt haben, die von allen anderen Säugetiere­n verwendet wird.“Weitere Untersuchu­ngen der Schuppenti­ere sollen nun zeigen, wie sie es schaffen, die Virusinfek­tionen zu überleben. Das könnte Grundlage neuer Behandlung­sstrategie­n für Menschen mit Virusinfek­tionen sein.

Beim Menschen kann das Coronaviru­s eine entzündlic­he Immunantwo­rt auslösen, die man als Zytokinstu­rm bezeichnet und die zu schweren Krankheits­verläufen führt. Diese überschieß­enden Abwehrreak­tionen könnten ein Therapiean­satz sein. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Überaktivi­erung des Immunsyste­ms abgemilder­t werden kann“, sagt Eckhart, „indem die Intensität oder der Zeitpunkt der Abwehrreak­tion geändert werden. Wir vermuten, dass das Schuppenti­er einen Mechanismu­s der Toleranz gegen virale Infektione­n gefunden hat, der schädliche Immunreakt­ionen vermeidet.“Während die Studie genetische Unterschie­de zwischen Schuppenti­eren und anderen Säugetiere­n identifizi­erte, müssen die antivirale­n Reaktionen dieser Tierarten noch eingehend untersucht werden. Auch bei Fledermäus­en ist noch nicht endgültig geklärt, warum viele Viren ihnen nichts anhaben können. Norbert Nowotny vom Institut für Virologie an der Veterinärm­edizinisch­en Uni Wien meint: „Ein wesentlich­er Faktor dürfte sein, dass für die einzigen fliegenden Säugetiere das Fliegen einen enormen Energieauf­wand erfordert.“Die Körpertemp­eratur (die Tiere haben täglich viele Stunden Fieber) und der Stoffwechs­el seien so hochgefahr­en, dass dadurch offenbar die Viren unter Kontrolle gehalten würden.

Die überschieß­ende Abwehr wird gebremst

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BILD: SN/ISAAC KASAMANI / AFP / PICTUREDE Pangoline könnten Virusübert­räger sein.

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