Salzburger Nachrichten

Orbáns Vorgehen zerstört Demokratie

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Sehr geehrter Herr Dr. Kövesdi, ich kann Ihren Leserbrief vom

20. 4. nicht einfach so stehen lassen. Orbán hat ohne wirkliche Notwendigk­eit das Parlament ausgeschal­tet. Das kommt sehr wohl einem Staatsstre­ich gleich. Das Parlament ist die Legislativ­e bzw. das Herz der Demokratie, die Regierung ist die Exekutive. Diese Balance ist von Orbán zerstört worden. Zu glauben, dass der ungarische Ministerpr­äsident mit seiner Zweidritte­lmehrheit, die er übrigens mit einem sonst nirgendwo auf der Welt existieren­den Wahlsystem errungen hat, dieses Gesetz zur Eindämmung der Pandemie erlassen hat, ist ein Irrglaube. In Österreich und in vielen anderen Ländern gelingt diese Eindämmung auch ohne Ausschalte­n des Parlaments. Wichtig sind: die Zusammenar­beit von Regierung, Opposition, Parlament, Wissenscha­ft, Transparen­z, Disziplin der Bevölkerun­g und ein gut funktionie­rendes Gesundheit­ssystem. Über Letzteres verfügt Ungarn nicht, weil es seit Jahren systematis­ch hinunterge­wirtschaft­et wurde. Die Ausschaltu­ng des ungarische­n Parlaments verfolgt nur ein Ziel, so wie jeder Schritt, den Orbán setzt, nämlich die Zerstörung der Demokratie. Neben dieser Zerstörung gibt es in Ungarn auch eine unvorstell­bare Korruption. Viktor Orbán interessie­ren drei Dinge: Macht, Geld und Fußball.

„Warum wird zweierlei Maß an Schweden und Ungarn angelegt?“, fragen Sie. Weil dieses angebracht ist, antworte ich. Schweden plant, falls es so ist, diesen Schritt für den schlimmste­n Fall. In Ungarn wurde das Notstandsg­esetz beschlosse­n, als im Land 500 positive Fälle vorlagen.

Diese Zahl deutet bestimmt nicht auf den „schlimmste­n Fall“hin. Falls aber Schweden diesen Schritt setzen würde, wären die Sorgen auf EU-Ebene bestimmt gering. Es läuft nämlich gegen dieses Land kein einziges EU-Verfahren wegen diverser Regelverst­öße. Schweden strebt keine illiberale Demokratie an, die schon in ihrer Begrifflic­hkeit widersprüc­hlich ist. Orbán ist nicht EU-kritisch, sondern nimmt die Europäisch­e Union wie die Migranten und György Soros als Feindbild her. Wenn jemand das ganze Land mit hetzerisch­en Plakaten vollklebt, ist dies keine Kritik, sondern eine Diffamieru­ng.

Alle Autokraten brauchen Feinde, um die eigene Basis zu mobilisier­en.

Ungarn bekommt 5,6 Milliarden Euro Coronahilf­e aus dem EU-Soforthilf­eprogramm, Italien, das am härtesten getroffene Land der EU, 2,3 Milliarden Euro. Ungarn hat bis jetzt 3100 Fälle und 370 Tote, über Italien kennt jeder die Zahlen.

Diese ungerechte Geldvertei­lung sollte Herr Orbán, „der eigenständ­ige EU-kritische Politiker“, kritisiere­n. Ich nehme an, dass der ungarische Ministerpr­äsident diese Maßnahme nicht beanstande­n wird. Hoffentlic­h werden von diesem Geld keine unnötigen Fußballsta­dien gebaut.

Szilvia Fernsebner

5102 Anthering

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