Salzburger Nachrichten

Zwischenru­f aus dem Westen: „Es fehlt so vieles in der Stadt!“

Georg Willi fordert andere Coronarege­ln. Warum der grüne Innsbrucke­r Bürgermeis­ter anders tickt als seine Wiener Parteifreu­nde. Und woher er das Selbstvert­rauen dafür bezieht.

- ANDREAS KOLLER

Ein gewisses Maß an Mut ist dem Innsbrucke­r Bürgermeis­ter Georg Willi nicht abzusprech­en. Betrachtet man die Covid-19-Fallzahlen, entpuppt sich die von dem Grün-Politiker regierte Tiroler Landeshaup­tstadt als Coronahots­pot. Innsbruck weist 309,59 positiv Getestete pro 100.000 Einwohner auf. Das ist weit mehr als beispielsw­eise die Stadt Salzburg (86,25), Graz (154,28), Linz (178,47) und auch Wien (144,77), das in den Pressekonf­erenzen der Bundesregi­erung immer wieder als abschrecke­ndes Beispiel herhalten muss.

Trotz dieser Zahlen ist es nun ausgerechn­et der Innsbrucke­r Bürgermeis­ter Georg Willi, der in öffentlich­en Auftritten für eine Lockerung der Coronamaßn­ahmen eintritt. Denn mittlerwei­le habe jedermann die wichtigste­n Regeln – einen Meter Abstand zu anderen zu halten und auf Händehygie­ne zu achten – verstanden, sagte Willi in Interviews für „Presse“und „ZiB 2“.

Solange die Menschen diese Regeln befolgten, sei es für das Virus so gut wie unmöglich, sich auszubreit­en.

Und die alarmieren­den Coronazahl­en in Innsbruck? Im SN-Gespräch relativier­t Bürgermeis­ter Willi die Statistik. Innsbruck liege bereits besser, als es auf dem Papier scheine, zuletzt hätten die Neuinfekti­onen gegen null tendiert. „Wir haben gelernt, mit Corona umzugehen“, sagt er. Und verweist auf die problemati­sche Seite der Einschränk­ungen: „Es fehlt so vieles in der Stadt! Im sozialen, im kulturelle­n, im sportliche­n Bereich“, gibt er zu bedenken. Dies drücke auf die Stimmung und dies wiederum habe nachteilig­e Auswirkung­en auf Wirtschaft und Konsum. „Als Finanzrefe­rent dieser Stadt merke ich, wie sehr sich das bereits auf die Stadtfinan­zen niederschl­ägt“, warnt er. „Gerade kulturelle und sportliche Veranstalt­ungen sind wichtig, damit die Menschen das Gefühl bekommen, dass es wieder aufwärtsge­ht“, sagt der Bürgermeis­ter. Der „als kulturaffi­ner Mensch“nicht verstehen will, warum unter den gängigen Abstands- und Hygienereg­eln nicht auch Konzerte und Theaterauf­führungen möglich sein sollen. „Da fehlt mir die logische Begründung“, sagt er.

Mit der Parteiführ­ung (die in Gestalt von Vizekanzle­r Werner Kogler und Staatssekr­etärin Ulrike Lunacek für Sport und Kultur zuständig ist) habe er seinen Vorstoß nicht abgesproch­en, erklärt der Bürgermeis­ter, der bereits in der Vergangenh­eit mehrfach mit abweichend­en Meinungen aufgefalle­n ist. Etwa als er mitten in den türkis-grünen Koalitions­verhandlun­gen öffentlich das Finanzmini­sterium für die Grünen einfordert­e. In der Umgebung Werner Koglers, dem längst klar war, dass die ÖVP das Finanzmini­sterium niemals aus der Hand geben würde, reagierte man wenig amüsiert auf den Vorstoß. Auch dass Willi einst vorschlug, die Grünen mögen sich mit der Liste des exgrünen Gottseibei­uns Peter Pilz zusammensc­hließen, fand in den Reihen der grünen Bundespart­eiführung wenig Gegenliebe.

Dass Willi seine Vorschläge dennoch mit Selbstbewu­sstsein vorbringt, kommt nicht von ungefähr. Denn es war Georg Willi, der 2018 auf dem Höhepunkt der grünen Krise seiner Partei, die soeben aus dem Nationalra­t geflogen war, ein ebenso großes wie unverhofft­es Erfolgserl­ebnis bescherte. Der einstige Landtags- und Nationalra­tsabgeordn­ete führte die Grünen bei der Innsbrucke­r Gemeindera­tswahl auf Platz eins und entthronte bei der Bürgermeis­ter-Direktwahl die langjährig­e Stadtchefi­n Christine Oppitz-Plörer von der Liste „Für Innsbruck“. Willis Wort hat also Gewicht. Auch wenn man es in Wien nicht immer hören mag.

„Das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht.“

Georg Willi, Bürgermeis­ter

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