Zwischenruf aus dem Westen: „Es fehlt so vieles in der Stadt!“
Georg Willi fordert andere Coronaregeln. Warum der grüne Innsbrucker Bürgermeister anders tickt als seine Wiener Parteifreunde. Und woher er das Selbstvertrauen dafür bezieht.
Ein gewisses Maß an Mut ist dem Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi nicht abzusprechen. Betrachtet man die Covid-19-Fallzahlen, entpuppt sich die von dem Grün-Politiker regierte Tiroler Landeshauptstadt als Coronahotspot. Innsbruck weist 309,59 positiv Getestete pro 100.000 Einwohner auf. Das ist weit mehr als beispielsweise die Stadt Salzburg (86,25), Graz (154,28), Linz (178,47) und auch Wien (144,77), das in den Pressekonferenzen der Bundesregierung immer wieder als abschreckendes Beispiel herhalten muss.
Trotz dieser Zahlen ist es nun ausgerechnet der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi, der in öffentlichen Auftritten für eine Lockerung der Coronamaßnahmen eintritt. Denn mittlerweile habe jedermann die wichtigsten Regeln – einen Meter Abstand zu anderen zu halten und auf Händehygiene zu achten – verstanden, sagte Willi in Interviews für „Presse“und „ZiB 2“.
Solange die Menschen diese Regeln befolgten, sei es für das Virus so gut wie unmöglich, sich auszubreiten.
Und die alarmierenden Coronazahlen in Innsbruck? Im SN-Gespräch relativiert Bürgermeister Willi die Statistik. Innsbruck liege bereits besser, als es auf dem Papier scheine, zuletzt hätten die Neuinfektionen gegen null tendiert. „Wir haben gelernt, mit Corona umzugehen“, sagt er. Und verweist auf die problematische Seite der Einschränkungen: „Es fehlt so vieles in der Stadt! Im sozialen, im kulturellen, im sportlichen Bereich“, gibt er zu bedenken. Dies drücke auf die Stimmung und dies wiederum habe nachteilige Auswirkungen auf Wirtschaft und Konsum. „Als Finanzreferent dieser Stadt merke ich, wie sehr sich das bereits auf die Stadtfinanzen niederschlägt“, warnt er. „Gerade kulturelle und sportliche Veranstaltungen sind wichtig, damit die Menschen das Gefühl bekommen, dass es wieder aufwärtsgeht“, sagt der Bürgermeister. Der „als kulturaffiner Mensch“nicht verstehen will, warum unter den gängigen Abstands- und Hygieneregeln nicht auch Konzerte und Theateraufführungen möglich sein sollen. „Da fehlt mir die logische Begründung“, sagt er.
Mit der Parteiführung (die in Gestalt von Vizekanzler Werner Kogler und Staatssekretärin Ulrike Lunacek für Sport und Kultur zuständig ist) habe er seinen Vorstoß nicht abgesprochen, erklärt der Bürgermeister, der bereits in der Vergangenheit mehrfach mit abweichenden Meinungen aufgefallen ist. Etwa als er mitten in den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen öffentlich das Finanzministerium für die Grünen einforderte. In der Umgebung Werner Koglers, dem längst klar war, dass die ÖVP das Finanzministerium niemals aus der Hand geben würde, reagierte man wenig amüsiert auf den Vorstoß. Auch dass Willi einst vorschlug, die Grünen mögen sich mit der Liste des exgrünen Gottseibeiuns Peter Pilz zusammenschließen, fand in den Reihen der grünen Bundesparteiführung wenig Gegenliebe.
Dass Willi seine Vorschläge dennoch mit Selbstbewusstsein vorbringt, kommt nicht von ungefähr. Denn es war Georg Willi, der 2018 auf dem Höhepunkt der grünen Krise seiner Partei, die soeben aus dem Nationalrat geflogen war, ein ebenso großes wie unverhofftes Erfolgserlebnis bescherte. Der einstige Landtags- und Nationalratsabgeordnete führte die Grünen bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl auf Platz eins und entthronte bei der Bürgermeister-Direktwahl die langjährige Stadtchefin Christine Oppitz-Plörer von der Liste „Für Innsbruck“. Willis Wort hat also Gewicht. Auch wenn man es in Wien nicht immer hören mag.
„Das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht.“
Georg Willi, Bürgermeister