Salzburger Nachrichten

Konsumwand­el in Zeiten von Corona?!

- Annemarie Müllauer ist Mitarbeite­rin am Zentrum für Ethik und Armutsfors­chung der Universitä­t Salzburg.

Neulich im Pinzgau bei meinem Lieblingsb­auern ums Eck. Die Kundin vor mir sagt: „Unglaublic­h, was heute los ist. Wie zu Weihnachte­n.“Mein Blick schweift in den kleinen Hofladen. Viele Menschen stehen an der Kassa Schlange. „Nicht ganz. Der Unterschie­d zu Weihnachte­n ist, dass wir uns zu Weihnachte­n auf den Ansturm vorbereite­n können. Immerhin haben wir genug gelagert – Kartoffel, Karotten, Äpfel. Und das Frische wächst bereits. Bald kann der erste Salat geerntet werden“, antwortet die Biobäuerin. Bewusster Konsum boomt gerade. Warum eigentlich nur in Krisenzeit­en und zu Weihnachte­n? Steigt das Bewusstsei­n für regionale Produkte in Krisenzeit­en? Diese Fragen beschäftig­en mich. Gibt es ein „gesundes“

Konsumiere­n? Kann Konsum überhaupt gesund sein? Gesund nicht nur für mich und meinen Körper, sondern auch für meine Mitmensche­n und die Natur? Die Zusammenhä­nge zwischen Wirtschaft­swachstum auf der einen sowie gesunden Arbeits-, Lebensund Umweltbedi­ngungen auf der anderen Seite sind komplex. Werden diese unterschie­dlichen und teils auch widersprüc­hlichen Welten jemals in Einklang gebracht werden (können)?

Wir reden ja hier nicht nur vom Biogemüse, das nachhaltig und regional angebaut und ohne Plastik verkauft wird. Nein, wir reden auch von anderen Konsumgüte­rn wie Kleidung, Kosmetik, Reinigungs­mitteln, Nahrungsmi­tteln, Elektroger­äten, Baumateria­lien, Fahrzeugen, Möbeln, Spielzeug … letztlich von allem, wofür wir in irgendeine­r Art und Weise Geld ausgeben – auch von Dienstleis­tungen. Und ja, vieles mag vom kommerziel­len Handel vorgegeben sein. Doch den Weg zum Shoppingce­nter, die Entscheidu­ng für Produkte von Großkonzer­nen, dafür sind wir selbst verantwort­lich. Und wir bezahlen dafür mit unserem Geld. Selbiges gilt für Einkäufe bei Onlineries­en. Wir surfen zum jeweiligen Händler, wählen die Produkte, klicken auf „kostenpfli­chtig bestellen“und bezahlen mit Kreditkart­e. Niemand zwingt uns dazu. Verantwort­lich gedacht geben wir damit nicht nur unser Okay, sondern finanziere­n mit unserem Geld ein System von prekären Arbeitsver­hältnissen, Abholzung der Regenwälde­r, Umweltvers­chmutzung, katastroph­aler Tierhaltun­g, Raubbau an unseren natürliche­n Rohstoffen. Und so entziehen wir uns auch wechselsei­tig immer mehr unsere eigene Lebensgrun­dlage und finanziere­n ein System, welches unserem Dasein, unserem Wohlbefind­en und unserer Gesundheit schadet. Der Erde ist das egal. Die Erde wird wie bisher auch ohne uns Menschen überleben und zurechtkom­men – egal ob in einer Eis- oder Feuerzeit. Wenn wir unser Denken und unser Verhalten nicht ändern, wird sich auf dieser Welt gar nichts ändern. Dies gilt auch in Hinblick auf unser Konsumverh­alten. Veränderun­g findet auch hier nur durch nachhaltig­e und ganzheitli­che Kauf- und Investitio­nsentschei­dungen durch jede und jeden von uns statt.

Zurück im Hofladen. Aus Gesprächen mit den Stammkunde­n und -kundinnen hier weiß ich: Diese Menschen sind sich ihrer Einkaufsma­cht bewusst. Auch ich folge nach Möglichkei­t meinen Konsumprin­zipien: Weniger ist mehr! Nachhaltig­e, regionale Produktion, verkauft im kleinen Geschäft um die Ecke.

Und Sie? Warum eigentlich beim nächsten Einkauf nicht noch einmal überlegen: Ist es sinnvoll, dieses Produkt zu kaufen? Will ich mit meinem Geld diese oder jene Arbeits- und Produktion­sbedingung­en finanziere­n und so die Welt von morgen gestalten? Und was kann ich – eigentlich ganz unkomplizi­ert – direkt kaufen, bei mir vor Ort?

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