Salzburger Nachrichten

Leihmütter-Babys in Ukraine: Bestellt und nicht abgeholt

Mehr als hundert Neugeboren­e warten auf ihre Eltern, die sie wegen der Coronakris­e nicht abgeholt haben. Ein Video bestärkt jetzt Kritiker des Geschäfts mit Eizellen und Leihmütter­n.

- 36 Neugeboren­e werden in einem Hotel in Kiew versorgt, bis ihre Besteller sie abholen können.

Mehr als tausend Kinder werden in der Ukraine pro Jahr von Leihmütter­n zur Welt gebracht, meist für ausländisc­he Kunden. Wenn die Berichte in ukrainisch­en Medien stimmen, erhalten Leihmütter in dem Land umgerechne­t rund 15.000 Euro für das Austragen einer Schwangers­chaft. Hinzu kommen die Kosten für die medizinisc­he Betreuung. Dafür wird den Kunden garantiert, dass die Leihmütter nicht älter als 35 Jahre sind, dass sie nicht verheirate­t sind und einen Hochschula­bschluss haben.

Ein vier Minuten langes Video, das die ukrainisch­e „Reprodukti­onsfirma“BioTecCom in einem

Hotel in Kiew gedreht hat, verstärkt jetzt die Kritik an diesen Praktiken. Das befremdlic­he Geschäft wird in diesen Tagen durch die Coronakris­e behindert, das Video zeigt die tristen Räumlichke­iten eines Hotels in Kiew, in dem 51 Neugeboren­e untergebra­cht sind, die wegen der coronabedi­ngten Einreisebe­schränkung­en für Ausländer nicht abgeholt wurden. Offenbar sollte das Video Druck auf alle Beteiligte­n ausüben: Wenigstens 15 der Babys seien mittlerwei­le mit ihren Eltern vereint, die noch vor der Grenzschli­eßung einreisen konnten, sagte die Menschenre­chtsbeauft­ragte des Parlaments Ljudmyla Denissowa. Sie warnte vor den Folgen länger andauernde­r Einreiseve­rbote: „Im Moment warten über 100 Kinder in verschiede­nen Kliniken darauf, dass sie abgeholt werden. Und laufend werden weitere geboren. Wenn die Reisebesch­ränkungen noch länger anhalten, dann kann ihre Zahl auf bis zu tausend steigen. Wir müssen also etwas unternehme­n und einen Mechanismu­s finden, dass diese Säuglinge zu ihren Eltern kommen und in ihrer Familie aufwachsen können.“Denissowa sagte, den verblieben­en 36 Babys im Hotel gehe es gut. Sie sollen von Paaren aus Deutschlan­d, Frankreich, Spanien, Italien und den USA abgeholt werden. Nach Angaben der Leihmutter­firma BioTecCom sind auch österreich­ische Paare betroffen.

Denissowa hat das ukrainisch­e Außenminis­terium gebeten, den Eltern der Neugeboren­en die Einreise zu erleichter­n. Die Frage sei jedoch bisher nicht abschließe­nd geklärt, in einigen Fällen lehnten die Botschafte­n der Länder eine Mithilfe ab. Laut einem Bericht der französisc­hen Zeitung „Le Monde“handelt es sich vor allem um Frankreich, wo Leihmutter­schaft – wie in Österreich – nicht erlaubt ist.

Die katholisch­e Publizisti­n Birgit Kelle nennt es unmenschli­ch, was in Kiew passiert. Dies sei ein Grund mehr, „warum es keine Geschäfte geben darf mit Menschen, nicht mit Eizellen und nicht mit sogenannte­n Leihmütter­n“. Lieferkett­en seien durch die Coronakris­e nicht nur bei Gebrauchsw­aren weltweit unterbroch­en. „Dort, wo der Mensch durch die Möglichkei­ten der Reprodukti­onsmedizin in fremden Bäuchen gebrütet und als begehrtes Objekt gehandelt wird, wird er eben auch so behandelt: als Objekt. Bestellt und nicht abgeholt.“

Ihren Schätzunge­n zufolge warten allein in der Ukraine 500 Babys darauf, „dass jemand sie heimholt“. Weltweit entstünden ähnliche Probleme gerade auch in Ländern, die die sogenannte Leihmutter­schaft legalisier­t und „damit den modernen Kinderhand­el im Namen des Elternwuns­chs salonfähig gemacht haben“. Der Begriff „Leihmutter­schaft“treffe nicht den Kern: „Es wird keine Mutter geliehen, sondern ihr Bauch als reine Brutstätte missbrauch­t und das Kind anschließe­nd jenem überreicht, der dafür gezahlt hat.“

„Wenn die Krise andauert, kann die Zahl der Kinder auf tausend steigen.“

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BILD: SN/AFP Ljudmyla Denissowa, Ombudsfrau

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