Leihmütter-Babys in Ukraine: Bestellt und nicht abgeholt
Mehr als hundert Neugeborene warten auf ihre Eltern, die sie wegen der Coronakrise nicht abgeholt haben. Ein Video bestärkt jetzt Kritiker des Geschäfts mit Eizellen und Leihmüttern.
Mehr als tausend Kinder werden in der Ukraine pro Jahr von Leihmüttern zur Welt gebracht, meist für ausländische Kunden. Wenn die Berichte in ukrainischen Medien stimmen, erhalten Leihmütter in dem Land umgerechnet rund 15.000 Euro für das Austragen einer Schwangerschaft. Hinzu kommen die Kosten für die medizinische Betreuung. Dafür wird den Kunden garantiert, dass die Leihmütter nicht älter als 35 Jahre sind, dass sie nicht verheiratet sind und einen Hochschulabschluss haben.
Ein vier Minuten langes Video, das die ukrainische „Reproduktionsfirma“BioTecCom in einem
Hotel in Kiew gedreht hat, verstärkt jetzt die Kritik an diesen Praktiken. Das befremdliche Geschäft wird in diesen Tagen durch die Coronakrise behindert, das Video zeigt die tristen Räumlichkeiten eines Hotels in Kiew, in dem 51 Neugeborene untergebracht sind, die wegen der coronabedingten Einreisebeschränkungen für Ausländer nicht abgeholt wurden. Offenbar sollte das Video Druck auf alle Beteiligten ausüben: Wenigstens 15 der Babys seien mittlerweile mit ihren Eltern vereint, die noch vor der Grenzschließung einreisen konnten, sagte die Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments Ljudmyla Denissowa. Sie warnte vor den Folgen länger andauernder Einreiseverbote: „Im Moment warten über 100 Kinder in verschiedenen Kliniken darauf, dass sie abgeholt werden. Und laufend werden weitere geboren. Wenn die Reisebeschränkungen noch länger anhalten, dann kann ihre Zahl auf bis zu tausend steigen. Wir müssen also etwas unternehmen und einen Mechanismus finden, dass diese Säuglinge zu ihren Eltern kommen und in ihrer Familie aufwachsen können.“Denissowa sagte, den verbliebenen 36 Babys im Hotel gehe es gut. Sie sollen von Paaren aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und den USA abgeholt werden. Nach Angaben der Leihmutterfirma BioTecCom sind auch österreichische Paare betroffen.
Denissowa hat das ukrainische Außenministerium gebeten, den Eltern der Neugeborenen die Einreise zu erleichtern. Die Frage sei jedoch bisher nicht abschließend geklärt, in einigen Fällen lehnten die Botschaften der Länder eine Mithilfe ab. Laut einem Bericht der französischen Zeitung „Le Monde“handelt es sich vor allem um Frankreich, wo Leihmutterschaft – wie in Österreich – nicht erlaubt ist.
Die katholische Publizistin Birgit Kelle nennt es unmenschlich, was in Kiew passiert. Dies sei ein Grund mehr, „warum es keine Geschäfte geben darf mit Menschen, nicht mit Eizellen und nicht mit sogenannten Leihmüttern“. Lieferketten seien durch die Coronakrise nicht nur bei Gebrauchswaren weltweit unterbrochen. „Dort, wo der Mensch durch die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin in fremden Bäuchen gebrütet und als begehrtes Objekt gehandelt wird, wird er eben auch so behandelt: als Objekt. Bestellt und nicht abgeholt.“
Ihren Schätzungen zufolge warten allein in der Ukraine 500 Babys darauf, „dass jemand sie heimholt“. Weltweit entstünden ähnliche Probleme gerade auch in Ländern, die die sogenannte Leihmutterschaft legalisiert und „damit den modernen Kinderhandel im Namen des Elternwunschs salonfähig gemacht haben“. Der Begriff „Leihmutterschaft“treffe nicht den Kern: „Es wird keine Mutter geliehen, sondern ihr Bauch als reine Brutstätte missbraucht und das Kind anschließend jenem überreicht, der dafür gezahlt hat.“
„Wenn die Krise andauert, kann die Zahl der Kinder auf tausend steigen.“