Salzburger Nachrichten

„Signal von Peking: Wir übernehmen“

- Mit Katja Drinhausen dop

Katja Drinhausen ist Analystin beim renommiert­en Berliner Mercator Institute for China Studies.

SN: Warum ist das geplante Sicherheit­sgesetz so brisant? Katja Drinhausen: Es ist so brisant, weil es vom Nationalen Volkskongr­ess erarbeitet und am Ende auch verabschie­det wird – und nicht vom Hongkonger Legislativ­rat. Das steht im direkten Konflikt zur bisherigen Anwendung des Hongkonger Grundgeset­zes, das eine Autonomie in der Gesetzgebu­ng vorsieht.

SN: Hongkonger Opposition­spolitiker befürchten, dass es in Zukunft „Ein Land, ein System“heißen wird.

Es ist auf jeden Fall ein frontaler Angriff auf die Freiheiten, die Hongkong durch das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“garantiert wurden. Es ist ein fundamenta­ler Schritt, weil nicht mal der Anschein gewahrt wurde, dass die Hongkonger Lokalregie­rung an der Initiative beteiligt war. Dies ist ein klares Signal von Peking: Ihr habt die Autonomie nicht genutzt, um dieses Gesetz zu erlassen, jetzt übernehmen wir.

SN: Wieso will China genau jetzt dieses Gesetz anstoßen?

Die Regierung hofft sicher, dass durch Corona die internatio­nale Aufmerksam­keit auf andere Probleme gerichtet ist. Der letzte Versuch im Jahr 2003, die nationale Sicherheit­sgesetzgeb­ung auf den Weg zu bringen, hat zu großen Protesten in Hongkong geführt. Jetzt bieten die Einschränk­ungen zur Pandemiebe­kämpfung für Peking einen idealen Anlass, um große Proteste zu untersagen. Legale Demonstrat­ionen werden unmöglich, eine erneute Eskalation ist programmie­rt.

SN: Könnte das Gesetz also doch noch scheitern?

Der Unterschie­d zu 2003 ist, dass die Entscheidu­ng, ob das Gesetz kommt und in welcher Form, nicht in Hongkong, sondern in Peking fallen wird. Wenn das Gesetz so prominent im Volkskongr­ess angekündig­t wird, bin ich mir sicher, dass die Regierung keinen Schritt zurückweic­ht. Europa muss sich überlegen, wie es darauf reagiert

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