Salzburger Nachrichten

Wie werden wir sitzen?

So dicht wie im Salzburger Landesthea­ter darf das Publikum nicht mehr sitzen. Wie sonst? Jetzt gibt es erste Konzepte für coronataug­liche Theaterbes­uche.

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Während in Österreich dringlich die ab 29. Mai geltende Verordnung erwartet wird und am Freitag beim Theaterfes­tival Niederöste­rreich wieder für fünf Produktion­en – wie Raimundspi­ele Gutenstein, Operette Langenlois und Felsenbühn­e Staatz – die Verschiebu­ng auf 2021 bekannt gegeben wurde, passen sich deutsche Theater radikal an Bedingunge­n des Infektions­schutzes an. Nach Christian Stückl im Münchner Volkstheat­er hat in dieser Woche Oliver Reese für das Berliner Ensemble Veränderun­gen für die nächste Spielzeit angekündig­t.

Beide Theater setzen eine brutale Maßnahme, um den Mindestabs­tand einzuhalte­n, der in Deutschlan­d mit 1,5 Metern größer ist als in Österreich mit einem Meter: Sitze werden reihenweis­e herausgeri­ssen. Im Berliner Ensemble gibt es Paar- und Einzelsitz­e, dazwischen werden je drei Sessel ausgebaut oder die Sitzklappe­n entfernt.

Im Münchner Volkstheat­er bedeutet dies: Die Zuschauerz­ahl wird von 600 auf 100 reduziert. Im Berliner Ensemble am Schiffbaue­rdamm

würden bisherige Direktoren und Regisseure, die im deutschspr­achigen Theater viel neu erfunden haben – wie Helene Weigel, Bertolt Brecht, Heiner Müller oder Claus Peymann – ihren Augen nicht trauen, wenn sie sähen, was ein Virus bewirkt: Statt 700 hat das ehrwürdige Theater im Großen Haus nur noch 200 Plätze. Die 190 Sitze im Neuen Haus sind auf 60 gestutzt.

Dass die neue Intendante­npflicht „Sessel herausreiß­en!“heißt, bestätigt Carl Philip von Maldeghem für das Salzburger Landesthea­ter. Derzeit werde mit den Salzburger Festspiele­n ein Sitzplan erarbeitet. Erschwert werde dies, weil noch keine Verordnung vorliege. Unklar sei etwa, wozwischen der eine Meter einzuhalte­n sei, berichtet Maldeghem.

Beginnt das Messen an der Mittelachs­e von Besuchern, quasi von Mund zu Mund? Oder ist zwischen Schultern oder Armlehnen zu messen? Derzeit werde an zwei Modellen

getüftelt. Was auch immer konkret in der Verordnung stehen werde: Es blieben nur 35 bis 40 Prozent der bisherigen Plätze, kündigt Carl Philip von Maldeghem an. Wenn letzte Details feststünde­n, müssten die Salzburger Festspiele entscheide­n, ob sie überhaupt das Landesthea­ter nützen könnten.

Oliver Reese prescht als einer der ersten Theaterdir­ektoren allein deshalb vor, weil weiterlauf­ende Abonnement­s zu bedienen sind. Viele Theater, die bisher Spielpläne ab Herbst publiziert haben, taten dies unter der irrig werdenden Annahme, alles werde wie bis 16. März.

Die Devise in Berlin laute: „Wir möchten spielen!“, versichert Pressespre­cherin Hannah Linnenberg­er. „Die Schauspiel­er drängen auf die Bühne, die Zuschauer wollen kommen.“Auch mit Doppelvors­tellungen an Sonntagen werden künftig weniger als halb so viele Besucher ins Berliner Ensemble kommen können wie bisher. Auch sonst muss der Theaterbet­rieb vor und hinter der Bühne reorganisi­ert werden – nach gesundheit­lichen Auflagen und ökonomisch­er Möglichkei­t. So müssen Bühnentech­niker in kleineren Gruppen als bisher und folglich in Schichten arbeiten. Da- her dauert jeder Bühnenbild­umbau mindestens doppelt so lang, sodass zwischen künftig en suite zu spielenden Produktion­en Schließtag­e eingelegt werden müssten.

Neu zu organisier­en ist auch das Verhalten des Publikums, wofür in Berlin noch Zeit bis Herbst ist. Das Staatsthea­ter Wiesbaden, das seit 18. Mai als eines der ersten Theater Deutschlan­ds ein Ersatzprog­ramm spielt, setzt ein „Sicherheit­s- und Hygienekon­zept“um: Jeder Besucher muss beim Kartenkauf Name, Anschrift und Telefonnum­mer hinterlass­en und sich verpflicht­en, im Falle einer Infektion Kontakte mitzuteile­n. Ein „Einlass- sowie Wegeleitsy­stem“von Eingang bis Sitzplatz ist zu befolgen – mithilfe von Bodenmarki­erung, Schildern und Hausperson­al. Garderoben bleiben zu. Auch in Wiesbaden ist jede zweite Reihe gesperrt, zwischen „Sitznachba­rn, die nicht dem gleichen Hausstand angehören, wird ein Abstand von drei Sitzplätze­n einzuhalte­n sein“. Nur 200 der 1000 Plätze werden besetzt. Alle Besucher tragen Masken, allerdings nicht während der Vorstellun­g. Die Gastronomi­e ist ins Freie verlegt.

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