Ein Außenseiter strebt nach Freiheit
Felix Mitterer erzählt in seinem ersten Roman die Geschichte von Soliman.
WIEN. Das Wien des späten 18. Jahrhunderts ist im Umbruch: Die Leibeigenschaft endet, das Staatswesen wird erneuert, Wissenschaft und Medizin machen Fortschritte, wenn auch manchmal fragwürdige. Doch das Volk weiß seine Befreiung nicht zu schätzen und nach dem Tod von Joseph II. schlagen die alten Kräfte zurück. Mittendrin ist Maké, weder Afrikaner noch Europäer – oder vielmehr beides.
Felix Mitterer hat sich mit seinem Werk „Keiner von euch“auf neue Pfade begeben, nach vielen dramatischen Arbeiten handelt es sich dabei um seinen ersten Roman. Treu geblieben ist der Tiroler seiner Dialogstärke und seiner Vorliebe für Außenseiterfiguren. Als Vorlage diente ihm Angelo Soliman, der im Wien des 18. Jahrhunderts zum Kammerdiener aufstieg, aber nach seinem Tod ausgestopft wurde.
Solimans Leben als einer der ersten dunkelhäutigen Menschen im Europa jener Zeit ist durchaus gut dokumentiert, doch Mitterer nahm sich nach eingehender Recherche viel künstlerische Freiheit, um eine ganz eigene Geschichte zu erzählen: 1759 erhält die kleine Adelige Clara in Sizilien zum Geburtstag den ersehnten „kleinen Mohren“geschenkt. Der verschreckte Bub, in Afrika geraubt, bekommt einen neuen Namen, wird in eine orientalische Tracht gesteckt, getauft und schließlich von Claras Mutter an Fürst Thurnstein verschenkt.
Als Erwachsene begegnen sie einander wieder: Die willensstarke Clara, nun in einer enttäuschenden Ehe mit dem Fürsten gefangen, und Angelo als dessen nach Freiheit strebender Diener, Ingenieur und Soldat. Maké verkehrt mit Kaiser Joseph II., mit Wolfgang Amadeus Mozart und Geistesgrößen seiner Zeit, er wird Freimaurer. Ihm schlägt Bewunderung für sein
Schachspiel und seine aufklärerische Gesinnung entgegen, aber er muss auch in einer unfreien, kolonialistischen und rassistischen Gesellschaft als „Spielzeug für die reichen Damen“dienen, wird als „schwarzer Teufel“angefeindet und bleibt Außenseiter, dem man den Rückfall ins Primitive zutraut.
Die Idee der Aufklärer von der Gleichheit der Menschen und der Versuch ihrer Umsetzung unter Joseph II. prallen in Mitterers spannendem Roman auf die verrottende „gottgegebene Ordnung“, vertreten von Adel und Kirche. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, neben Maké und Hoffmann kommen Clara Soliman und Tochter Josephine zu Wort. Dass da ein versierter Dramatiker am Werk war, lässt sich nicht verhehlen: So finden sich eher knappe Regieanweisungen als üppig-barocke Milieu- und Landschaftsbeschreibungen, Dialoge treiben das Geschehen voran.
„Keiner von euch“ist ein humanistisches Plädoyer für die Würde des Menschen. Diese Geschichte war es wert, darauf zu warten, sie von Mitterer als Roman erzählt zu bekommen.