Salzburger Nachrichten

Immer dieses Bäsching

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Nein, Bäsching ist kein Ort im Oberösterr­eichischen. Bäsching ist auch keine neue, hippe Extremspor­tart. Bäsching ist viel ärger. Bäsching wird den Wiener Wahlkampf entscheide­n.

Wer jetzt glaubt, Gottfried Bäsching wäre der Chef einer neu aufgetauch­ten Partei, der bei der Wiener Landtagswa­hl im Oktober antreten will (wie das ja andere gestrandet­e Existenzen auch tun), der irrt. Es gibt nämlich gar keinen Gottfried Bäsching. Es gibt hiesigem Wissen nach auch keinen Ulrich und keinen Alex Bäsching. Bäsching ist vielmehr ein abstrakter Begriff und zudem ein unglaublic­h tolles Zauberwort.

Das funktionie­rt so: Angenommen, irgendwer übt Kritik an Ihnen – berechtigt­e Kritik oder unberechti­gte Kritik, das ist egal. Kaum ist die Kritik geäußert, brauchen Sie nur ein empörtes Gesicht aufzusetze­n und zu rufen: „Aber das ist ja Bäsching!“Und schon ist der Kritik wie auch dem Kritiker der Boden entzogen. Praktisch, nicht wahr?

Besonders gut (und damit kommen wir zurück zur Wiener Wahl) beherrscht diesen Anti-Kritik-Zauber das Wiener Rathaus. Kaum übt jemand auch nur die leiseste Kritik an ihm, ruft es empört „Wien-Bäsching!“und die Sache ist erledigt. Denn die Politik des Wiener Rathauses ist absolut perfekt. Es kann an ihr einfach keine Kritik geben. Jede Kritik ist Wien-Bäsching.

Da sich das Wiener Rathaus diese überaus praktische Erfindung noch nicht hat patentiere­n lassen, kann sie jedermann übernehmen. Der Fall Ischgl? Klarer Fall von Tirol-Bäsching. Unzufriede­nheit mit der SPÖ-Chefin? Nichts weiter als Pam-Bäsching. Und falls Sie (um ein ganz und gar abwegiges Beispiel zu bringen) mit dieser Kolumne unzufriede­n sein sollten, ist das ein sonnenklar­er und daher brüsk zurückzuwe­isender

Fall von Fegefeuer-Bäsching. So viel zum Phänomen des Bäschings.

Nun zu einem anderen Thema, das zwar auch oberösterr­eichisch klingt, aber ebenfalls kein Ort im Innviertel und keine Extremspor­tart ist, nämlich zum allseits beliebten Ränking. Wenn man zum Beispiel internatio­nale Manager fragt, welche Stadt für sie die lebenswert­este ist, landet Wien verlässlic­h auf den vordersten Plätzen. Das findet das Wiener Rathaus gut, denn das ist kein Bäsching. Das ist ein Ränking.

Wobei Wien schon eine beliebte

Stadt war, als das Ränking noch gar nicht erfunden war. Dafür spricht ein im 19. Jahrhunder­t entstanden­es Wienerlied, das ungefähr so beginnt:

„Du guada Himmelvoda, I brauch ka Paradies. I bleib fü liaba doda, weil mei Wean für mi ’s Himmelreic­h is!“

Für Nicht-Wiener ist vielleicht eine zeitgemäße Übersetzun­g nötig:

„Sehr verehrter Geschäftsf­ührer des Wellnesscl­ubs Jenseits, ich bin an Ihrem unbefriste­ten All-inclusive-Angebot nicht interessie­rt. Ich bleibe lieber hier, da Wien eine von Managern optimal geränkte Metropole ist.“

Das Lied war sehr populär, allerdings nicht bei Karl Kraus, dem strengen Beschützer der deutschen Sprache. Er bezeichnet­e es als Zumutung, in einer Stadt leben zu müssen, in der sich „Vater“auf „hier“reimt, was natürlich einen klaren Fall von Wien-Bäsching darstellt. Es war nicht der einzige Fall bei Karl Kraus. Über die Wiener Verkehrspo­litik etwa meuterte er: „Nach Ägypten wär’s nicht so weit. Aber bis man zum Südbahnhof kommt ...“

Wobei es ein Glück ist, dass er die Salzburger Verkehrspo­litik nicht kannte. Was er wohl über sie gesagt hätte? Man weiß es nicht. Karl Kraus wird dafür ein anderer Ausspruch über Salzburg zugeschrie­ben. Er lautet: „Wenn die Salzburger von heute Salzburg gebaut hätten, wäre bestenfall­s Linz daraus geworden.“Mit diesem seltenen Fall eines Bäschings, das zugleich ein Ränking ist, wollen wir für heute schließen.

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