Eine Touristikerin mit Leib und Seele geht
Sechs Jahre lang war die Pongauer Hotelierin Petra Nocker-Schwarzenbacher das Gesicht von Österreichs Tourismusbranche. Mit Ende Juni tritt sie ab.
Sechs Jahre war die Pongauer Hotelierin Petra Nocker-Schwarzenbacher das Gesicht der Tourismusbranche. Mit Ende Juni tritt sie ab. Für den Tourismus aber sieht sie „ein wahnsinniges Comeback“.
Rücktritt, Rauswurf oder Abschied? Petra Nocker-Schwarzenbacher verlässt als Tourismusspartenobfrau der Wirtschaftskammer Österreich die Bühne. Dabei betont sie: „Ich hätte sehr gern weitergemacht und mitgeholfen, Österreichs Tourismus aus der Coronakrise zu führen.“
SN: Frau Nocker-Schwarzenbacher, Ihr Abgang als Tourismusspartenobfrau wird von manchen als Rauswurf durch WKO-Präsident Mahrer gesehen. Wie sehr stimmt die Chemie zwischen Obfrau und dem Präsidenten nicht?
Petra Nocker-Schwarzenbacher: Also die Chemie ist wahrscheinlich schon stark beeinträchtigt. Der Präsident spricht nach den Wirtschaftskammerwahlen, die wir ja hatten, mit jeder Spartenobfrau und jedem Spartenobmann über Neubesetzungen oder Verlängerungen. Und es war so, dass er mir mitteilte, dass meine Funktionsperiode endet und auch nicht verlängert wird. Es ist kein Rauswurf, Präsident Mahrer möchte sein eigenes Team gründen, dem stehe ich nicht im Weg.
SN: Sie haben mehr als 500 Zustimmungs-E-Mails nach der Ankündigung Ihres Abtritts bekommen.
Ja, das war sehr wertschätzend und kam auch von allen politischen Fraktionen. Aber wenn ich nicht zu 100 Prozent gern gesehen werde oder meine Arbeit nicht geschätzt wird, dann ist es besser, man widmet sich einem neuen Kapitel.
SN: Aber Sie hätten schon gern weitergetan? Wahnsinnig gern sogar.
SN: Sie üben offen Kritik an der Verteilung der Coronahilfe. Wo hapert es?
Ich denke, man hat den Zeitrahmen unterschätzt, wie lange die Pandemie dauern wird. Mittlerweile weiß man, dass die Tourismusbranche im Sommer ums Überleben kämpft und im Winter auch noch viele mit Umsatzrückgängen rechnen müssen. Wir sind nicht mehr im Jahr 2021, was die Rückkehr zum Vorkrisenniveau betrifft, sondern bei 2022 oder 2023. Es gibt viele Dinge, die den Betrieben derzeit Sorgen bereiten: das Kurzarbeitsgeld, das teilweise viel zu lange braucht, bis es auf den Konten liegt, oder das Epidemiegesetz, wo man keinen Zeitrahmen hat, wann das Geld kommt. Und für den Fixkostenzuschuss, die einzig nicht rückzahlbare Unterstützung, gibt es so viele Varianten, dass man nicht weiß, wann der richtige Zeitpunkt zur Beantragung ist. Dazu sind die Stundungen vom Finanzamt in sechs Monaten fällig. Auf die Betriebe kommt noch eine Lawine zu.
SN: Drückt „langsame Hilfe“nicht auch Kritik an der Kammer aus, die für die Auszahlungen zuständig ist? Es mehren sich die Stimmen, die meinen, man hätte besser das Finanzministerium damit beauftragt.
Die Kammer kommt da ungerechtfertigt in die Kritik. Die Vorlagen und Richtlinien kommen von Finanzund Sozialministerium, wo die Gelder freigegeben werden. Und ein Antrag muss hieb- und stichfest sein. Das Finanzamt hätte die Daten gehabt, aber es wäre ein enormer Personalaufwand gewesen. Das Ministerium hat sich Partner gesucht, viele Aufgaben wurden auf einige verteilt. Die Verteilung der Hilfe sollte unbürokratisch über die Bühne gehen. Das war sie aber nie.
SN: Wie ist die Stimmung bei den Hoteliers zwei Wochen nach dem Re-Opening?
49 Prozent der Betriebe haben mit Ende Mai geöffnet, ein weiterer Teil wird jetzt mit 15. Juni aufsperren. Mit 1. Juli werden 80 Prozent der Betriebe offen haben, aber einige werden auch zu lassen, vor allem Winterdestinationen, die im Sommer schwach besucht sind.
SN: Wie wichtig ist der Sommertourismus für Österreich? Manche schwärmen schon vom Revival der Sommerfrische. Vom Umsatz her gesehen macht die Branche 52 Prozent des Jahresumsatzes in den vier Wintermonaten und 48 Prozent im Sommer, der mit sieben Monaten allerdings viel länger dauert. Die Wertschöpfung im Winter ist viel höher. Deshalb ist die Angst vor dem kommenden Winter eigentlich derzeit extrem groß.
SN: Was ist mit der Angst vor einer zweiten Coronawelle? Davon gehen wir jetzt einmal nicht aus. Aber es geht auch nicht nur darum, kann ich oder will ich reisen. Wir haben schon auch eine Wirtschaftskrise, viele Leute sind in Kurzarbeit oder arbeitslos. Auch viele Urlaubsreserven wurden aufgebraucht. Das heißt, es wird schwierig werden, bis die Leute ihr Geld für Urlaub ausgeben.
SN: Aber für die Reisefreiheit sieht es jetzt schon sehr gut aus. Für 31 Länder gibt es mit 16. Juni freie Fahrt von und nach Österreich. Ja, das ist hervorragend.
SN: Auch wenn Italien, Kroatien und Griechenland wieder offen sind? Da wird es viele Österreicher wohl doch wieder in den Süden ziehen.
Das ist eigentlich normal. Wir Touristiker fordern Reisefreiheit und offene Grenzen, dann muss man auch zulassen, dass Österreicher ans Meer fahren. Du kannst niemanden festhalten. Der Ansatz, Urlaub in Österreich zu machen, ist gut, wir haben auch wahnsinnig viel zu bieten. Und es haben schon einige umgedacht, wie der Trend der letzten Jahre gezeigt hat. Sogar die Jugend fährt jetzt in die Steirische Weinstraße, das war lange kein Thema. Da ging es nach Lignano.
SN: Aber den Haupturlaub in Österreich zu verbringen?
Das ist eher schwierig. Umgekehrt ist der Sicherheitsgedanke in Österreich stark verankert, wir haben die beste medizinische Versorgung.
SN: Wie ist die Buchungssituation für den Sommer?
Die ist gar nicht so schlecht, es gibt aber viele Fragezeichen. Es kann noch keiner sagen, ob der Sommer ein Reinfall wird oder wir mit einem blauen Auge davonkommen.
SN: Wird es Kampfpreise geben? Ich hoffe, dass es zu keiner Schleuderei kommt. Derzeit stimmen die Tagespreise noch. Um attraktiv zu sein, werden aber vielerorts Zusatzleistungen angeboten, wie ein kostenloses Aktivitätenprogramm.
SN: Wie viele Beherbergungsbetriebe werden die Krise nicht überleben?
Nicht so viele, glaube ich. Wir sind eine sehr familienlastige Branche, und ehe eine Familie aufgibt, hat ein Konzern schon längst seine Filialen geschlossen. Wir haben ein größeres Schmerzpotenzial als andere Branchen. Jeder kann sein Handwerk, und es wird ein wahnsinniges Comeback geben.
SN: Aber nicht für Petra Nocker-Schwarzenbacher? Kehren Sie zurück in die Politik, Sie waren ja auch schon Vizebürgermeisterin in Ihrer Heimatstadt St. Johann?
Nein, aber ich habe schon einige Anfragen bekommen. Aber man muss etwas abschließen, ich brauche jetzt einmal eine Pause.
SN: Was hätten Sie als Tourismusspartenobfrau noch gern erledigt?
Ich wäre gern geblieben, bis die Coronakrise vorbei ist. Da werde ich schon von etwas weggerissen, das ich so nicht wollte.
Petra Nocker-Schwarzenbacher (55) führt in St. Johann im Pongau das Viersternehotel Brückenwirt. Seit 2009 war die Salzburgerin stellvertretende Tourismusspartenobfrau in der Wirtschaftskammer Österreich, vor sechs Jahren übernahm sie die Führung von Vorgänger Hans Schenner.