Verschärfte Integrationsprobleme
Schon bisher haben sich zu viele Menschen mit Migrationshintergrund schwergetan, aufzusteigen. Jetzt tun sie‘s erst recht.
Schön langsam wird deutlich, dass die Coronakrise viele Seiten hat; auch wirtschafts-, sozialund integrationspolitische. Österreichweit gab es im Mai zum Beispiel um 70 Prozent mehr Arbeitslose als vor einem Jahr. Allerdings: Bei Inländern belief sich der Anstieg auf 60 und bei Ausländern auf 90 Prozent; bei ihnen war er also um die Hälfte größer. Das sind Durchschnittswerte. Da und dort, wo besonders viele Ausländer leben, sind die Verhältnisse noch extremer geworden: In Favoriten, dem zehnten Wiener Gemeindebezirk, erreichte die Arbeitslosenquote im April einen Wert von 25,3 Prozent. Das ist eine Dimension, die man eher nur aus entfernten Katastrophengebieten kennt und die daher umso mehr verdeutlicht, wie groß die Coronakrise ist.
Ausländern ist kein Vorwurf daraus zu machen. Das wäre zu billig. Hier haben sich alte Integrationsprobleme verschärft. Und Integration ist wiederum etwas, das Beiträge von zwei
Seiten erfordert; im konkreten Fall nicht nur von Aus-, sondern auch von Inländern.
Arbeitslosigkeit hängt vor allem mit Bildung zusammen. Gut jede zweite Person ohne Job verfügt höchstens über einen Pflichtschulabschluss. Wenn überhaupt. Das trifft in besonderer Weise auf sehr viele Zuwanderer zu. Wobei das Schlimme ist, dass es der österreichischen Schule zu wenig gelingt, dafür zu sorgen, dass die Kinder dieser Leute aufsteigen. Im Gegenteil, sie brechen die Schule sogar eher vorzeitig ab, ganz ohne Abschluss also. Die Folge: miserable Aussichten auf dem Arbeitsmarkt und letzten Endes eigene Kinder, die ebenfalls nicht weit kommen.
Was bereits ein Teufelskreis ist, droht sich nun auszuweiten: Nicht nur, dass sehr viele Migranten auf der Straße stehen, auch ihre Söhne und Töchter haben das in den vergangenen Wochen und Monaten getan. Die Verpflichtung, die Schule zu besuchen, war notgedrungenermaßen ausgesetzt. Hilfsmittel, wie Notebooks, wurden allenfalls verliehen. „Homeschooling“musste bisweilen erst erfunden werden und blieb gerade bei Jüngeren immer auch abhängig von Eltern, die mitwirken. Was bei all jenen, denen Bildung genauso fremd ist wie die deutsche Sprache, nicht garantiert ist.
Zu befürchten ist, dass unter diesen Umständen eine noch größere Arbeitslosengeneration mit Migrationshintergrund heranwächst. Wobei sich Versäumnisse der Vergangenheit rächen: dass einerseits Ganztagsschulen mit individuellen Betreuungsmöglichkeiten zu wenig ausgebaut wurden, andererseits etwa das türkise, aber auch sozialdemokratische Wahlversprechen unerfüllt blieb, allen Schülern einen Computer zu schenken, damit sie die Schule immer bei sich haben, auch zu Hause.
WWW.DIESUBSTANZ.AT