Nächste Haltestelle Sommerfrische
Das Filmarchiv Austria zeigt im „digitalen Heimkino“heimische Tourismuswerbefilme aus 110 Jahren Kinogeschichte.
Dieser Tage lachen Instagram-Nutzer über einen gesponserten Beitrag des österreichischen Tourismusbüros: Ein hellblondes Paar ist da in eine Seelandschaft hineinretuschiert, und versucht sich auf einer völlig unpassenden Wanderkarte zu orientieren. Die „UnserLand-für-unsere-Leut“-Bildsprache wirkt geradezu peinlich reaktionär – dabei ist echte altmodische Tourismuswerbung viel charmanter, wie derzeit im „digitalen Heimkino“des Filmarchivs Austria zu überprüfen ist: Bis 9. Juli ist hier gratis „Kino auf Sommerfrische“zu sehen, wöchentlich wechselnde Tourismusund Reisefilme aus den 1910er- bis in die 1960er-Jahre, in vier Themenkanälen.
Da gibt es die ganz frühen „K. u. k. Kinoreisen“, wo etwa der Kaiser von Bad Ischl aus auf Gamsjagd geht, wo Reisen in die Kronländer, nach Meran,
Budapest und Zagreb, nach Aussee und Mariazell beworben werden. „Das zentrale Motiv dieser Filme war die Bewegung an sich, das Reisen wurde als Bewegung in der Landschaft inszeniert. Dazu wurden Kameras oft auf Eisenbahnzügen und Schiffen montiert“, erläutert Ernst Kieninger, Leiter des Filmarchivs und Co-Kurator der Reihe, den SN.
Im zweiten Kanal geht es um „Postbusreisen vor 100 Jahren“: Im Auftrag der Österreichischen Post stellte der Wiener Karl Köfinger ab Mitte der 1920er-Jahre Werbefilme über interessante Routen der Postkraftwagen in Österreich her. In der Woche vom 26. Juni bis zum 2. Juli sind hier sechs Salzburg-Beiträge zu sehen, etwa „von Salzburg zum Millstättersee“aus dem Jahr 1929, und „Hofgastein-Mallnitz-Glocknerhaus“von 1927.
Diese ersten österreichischen Tourismusfilme seien nicht nur in den österreichischen Kinos zu sehen gewesen, sondern auch im Ausland und in den Schiffskinos der Atlantikroute, sagt Kieninger.
Nur vordergründig unschuldig sind die Wochenschaubeiträge in der Sparte „Projizierte Heimat“aus den 1930er-Jahren: Im austrofaschistischen Ständestaat wurde der Heimatbegriff mit neuer Bedeutung aufgeladen. Kino und Wochenschau dienten als Propagandainstrumente, um das Publikum weg vom Reiz des Internationalen auf Österreich und seine Brauchtümer einzuschwören, mit „Goldenem Erntesegen im Innviertel“ebenso wie mit „Faschingstreiben in Aussee“.
Die jüngsten Filme sind im Kanal „Reisefieber in Agfacolor“zu sehen, Tourismuswerbefilme aus den 1950er- und 1960er-Jahren, wo etwa ein Erzähler mit altvaterischer Ironie die Wachauer Sage vom Teufel erzählt, der die Kohlenschiffer auf der Donau vergeblich ersäufen wollte. „Das ist auch nicht der richtige Boden für den Teufel. Was soll er in einem Land, in dem der Wein mitten aus den Städten herauswächst?“– ein Film, der im Auftrag der DonauDampfschiffahrts-Gesellschaft entstanden ist.
Alle Filme stammen aus der Sammlung des Filmarchivs Austria und sind in vielen Fällen ein Teil umfassender Restaurierungsprojekte: Die Postbusfilme etwa wurden alle komplett von Nitrofilm auf Sicherheitsfilm umkopiert und besichert, die k. u. k. Filme wurden alle digital restauriert, so Kieninger.
Reihe: