Die Tür steht sperrangelweit offen
Einem Neustart stand selten so wenig im Wege wie heute.
Die erste Coronawelle wurde besser als befürchtet überstanden. Doch für Erleichterung ist kein Platz. Eine Wirtschaftskrise dräut, deren Ausmaße man sich nicht vorstellen kann und mag. Die Stimmung ist wie nach einem Gewitter, das verheerenden Schaden angerichtet hat, jedoch noch nicht zu Ende ist. Schon zieht die nächste große Front auf: „Ausharren und sich verstecken oder an einen neuen Ort flüchten?“Diese Frage mag für Ausflügler mit Zelt und Auto einfach zu beantworten sein:
Sie fahren einfach los, um mit dem Auto einen sicheren Platz zu erreichen. Aber man stelle sich Dauercamper vor, wie es sie im Winter in milden Gefilden wie Florida gibt und die längst keine andere Wohnung mehr haben. Sie leben über viele Monate an einem lauschigen Platz im Freien, haben sich eine Infrastruktur aufgebaut und genießen das milde Klima. Diese Gruppe tut sich schwer, zu gehen. Wohin denn auch? Und doch werden sie genau in dieser Situation eher bereit sein, sich auf die Socken zu machen, als in sonnigen Zeiten.
Diese Logik gilt auch für die Post-CoronaSituation, in der sich jetzt die gesamte Gesellschaft befindet: Wir befinden uns zwischen zwei Stürmen, von denen man nicht weiß, welcher letztlich schlimmer sein wird. Der erste war ein Weckruf, der neue Verhaltensweisen erzwungen hat. Man wäre bereit, den zweiten Sturm abzuwenden und dafür Ungewöhnliches zu tun – etwas, zu dem man früher kaum bereit gewesen wäre. Das ist eine große Chance: Durch die Verstörung des Erlebten und die Ungewissheit über die Zukunft ist die Offenheit für Veränderungen wesentlich größer als noch vor ein paar Monaten. Offenheit und Flexibilität im Kopf haben die Trägheit ersetzt, gegen die normalerweise jede Innovation und jeder Innovator zu kämpfen haben.
Diese sperrangelweit offene Tür sollten Politiker, Sozialpartner und die Unternehmen nutzen, um mutig neue Wege zu gehen: Klimaschutz gehört in die Wirtschaft integriert. Es muss sich für Betriebe und Bürger auszahlen, sich grün zu verhalten. Es braucht statt Polarisierung und Aufwiegelung mehr Fairness gegenüber Benachteiligten. Die Coronakrise hat gezeigt, dass die Kluft aufgeht. Und es braucht mehr Zusammenarbeit für Innovationen statt des kleinlichen Gegeneinanders der Konkurrenten.
Diese Haltung sollte Mainstream werden. Die ersten Anzeichen sind da: Das Weltwirtschaftsforum in Davos, bisher ein Wegbereiter der Globalisierung für die Wirtschaft, hat zum großen Reset des Kapitalismus aufgerufen – um der Natur und dem Sozialen mehr Stellenwert zu geben. Ein Zeichen, dass nicht bloß eine Minderheit bereit ist, sich zu bewegen.