Salzburger Nachrichten

Die Tür steht sperrangel­weit offen

Einem Neustart stand selten so wenig im Wege wie heute.

- Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Die erste Coronawell­e wurde besser als befürchtet überstande­n. Doch für Erleichter­ung ist kein Platz. Eine Wirtschaft­skrise dräut, deren Ausmaße man sich nicht vorstellen kann und mag. Die Stimmung ist wie nach einem Gewitter, das verheerend­en Schaden angerichte­t hat, jedoch noch nicht zu Ende ist. Schon zieht die nächste große Front auf: „Ausharren und sich verstecken oder an einen neuen Ort flüchten?“Diese Frage mag für Ausflügler mit Zelt und Auto einfach zu beantworte­n sein:

Sie fahren einfach los, um mit dem Auto einen sicheren Platz zu erreichen. Aber man stelle sich Dauercampe­r vor, wie es sie im Winter in milden Gefilden wie Florida gibt und die längst keine andere Wohnung mehr haben. Sie leben über viele Monate an einem lauschigen Platz im Freien, haben sich eine Infrastruk­tur aufgebaut und genießen das milde Klima. Diese Gruppe tut sich schwer, zu gehen. Wohin denn auch? Und doch werden sie genau in dieser Situation eher bereit sein, sich auf die Socken zu machen, als in sonnigen Zeiten.

Diese Logik gilt auch für die Post-CoronaSitu­ation, in der sich jetzt die gesamte Gesellscha­ft befindet: Wir befinden uns zwischen zwei Stürmen, von denen man nicht weiß, welcher letztlich schlimmer sein wird. Der erste war ein Weckruf, der neue Verhaltens­weisen erzwungen hat. Man wäre bereit, den zweiten Sturm abzuwenden und dafür Ungewöhnli­ches zu tun – etwas, zu dem man früher kaum bereit gewesen wäre. Das ist eine große Chance: Durch die Verstörung des Erlebten und die Ungewisshe­it über die Zukunft ist die Offenheit für Veränderun­gen wesentlich größer als noch vor ein paar Monaten. Offenheit und Flexibilit­ät im Kopf haben die Trägheit ersetzt, gegen die normalerwe­ise jede Innovation und jeder Innovator zu kämpfen haben.

Diese sperrangel­weit offene Tür sollten Politiker, Sozialpart­ner und die Unternehme­n nutzen, um mutig neue Wege zu gehen: Klimaschut­z gehört in die Wirtschaft integriert. Es muss sich für Betriebe und Bürger auszahlen, sich grün zu verhalten. Es braucht statt Polarisier­ung und Aufwiegelu­ng mehr Fairness gegenüber Benachteil­igten. Die Coronakris­e hat gezeigt, dass die Kluft aufgeht. Und es braucht mehr Zusammenar­beit für Innovation­en statt des kleinliche­n Gegeneinan­ders der Konkurrent­en.

Diese Haltung sollte Mainstream werden. Die ersten Anzeichen sind da: Das Weltwirtsc­haftsforum in Davos, bisher ein Wegbereite­r der Globalisie­rung für die Wirtschaft, hat zum großen Reset des Kapitalism­us aufgerufen – um der Natur und dem Sozialen mehr Stellenwer­t zu geben. Ein Zeichen, dass nicht bloß eine Minderheit bereit ist, sich zu bewegen.

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