Salzburger Nachrichten

Dunkelziff­er bei Rassismus

Rassistisc­he Übergriffe sind auch in Österreich im Steigen begriffen. Weil viele Betroffene Angst vor der Polizei hätten, würden etliche Vorfälle nicht gemeldet, betont eine Rassismus-Expertin.

- SN, APA

Seit vielen Jahren verzeichne­t die Beratungss­telle ZARA einen Anstieg an rassistisc­hen Vorfällen in Österreich. Doch seien diese nur die „Spitze des Eisbergs“, betont Geschäftsf­ührerin Caroline Kerschbaum­er. Die Dunkelziff­er sei sehr groß. „Gerade bei Vorfällen mit der Polizei wissen wir, dass es eine große Hemmschwel­le gibt, diese zu melden“, sagt Kerschbaum­er.

Es gehe um „strukturel­len Alltagsras­sismus“, erklärt die ZARAGeschä­ftsführeri­n. „Den Personen, die betroffen sind, passiert so etwas ständig. Sie werden dann teilweise müde, die Vorfälle jedes Mal zu melden.“Und gerade bei Vorfällen mit der Polizei hätten viele Angst vor den Folgen: „Da gibt es viele Bedenken und Ängste.“Oft würden die Betroffene­n auch ihre Rechte nicht kennen.

Vorfälle im Zusammenha­ng mit der Exekutive seien jedenfalls eine „Konstante“in der Arbeit der Beratungss­telle Zivilcoura­ge und AntiRassis­mus-Arbeit (ZARA) und vor 20 Jahren auch ein Mitgrund für die Gründung des Vereins gewesen. Nun arbeitet ZARA in Sachen Bewusstsei­nsbildung auch mit der Polizei zusammen. Das funktionie­re gut, „wir schätzen den Raum für Dialog und ich habe auch das Gefühl,

wir werden als Organisati­on gehört und ernst genommen“, sagt Kerschbaum­er. Die Entwicklun­gen seien jedoch langsam, berichtet die Rassismus-Expertin auf die Frage, warum es trotz entspreche­nder Schulungen noch immer so viele Vorfälle gibt. Auch die Politik habe eine „sehr große und wesentlich­e Vorbildfun­ktion“. Denn Hasssprach­e sei nicht nur im Internet Thema, sondern auch bei Politikern: „Je mehr wir Hasssprach­e ausgesetzt sind, je öfter wir Vorurteile hören, desto mehr beginnen wir unbewusst, diese Aussagen und Einstellun­gen tatsächlic­h zu übernehmen.“„Dieser Gewöhnungs­effekt sei sehr gefährlich. Die aktuellen Antirassis­mus-Proteste und vor allem die hohe Beteiligun­g an der Demonstrat­ion nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd in Wien zeigten, dass Rassismus ein weltweites Thema sei, das angesproch­en werden müsse. „Das ist so lange gut, wie nicht passiert. Derzeit ist es aber unmöglich, nicht Position zu beziehen und zu negieren, dass wir ein Problem mit Rassismus in Österreich haben“, sagt die ZARAChefin.

Die Politik müsse sich nun auf höchster Ebene des Themas annehmen, dieses ernst nehmen und „klar ansprechen“. Im Regierungs­programm ist ein entspreche­nder Aktionspla­n vorgesehen, dieser müsse nun ausgestalt­et und umgesetzt werden. „Jetzt ist der ideale Zeitpunkt dafür“, appelliert Kerschbaum­er.

2019 wurden ZARA fast 2000 rassistisc­he Vorfälle gemeldet. Drei von fünf Meldungen betrafen das Internet. Laut einer früheren Studie der in Wien ansässigen EU-Grundrecht­eagentur (FRA) werden nur 14 Prozent aller Fälle von Rassismus gemeldet. „Strukturel­ler Rassismus ist eine österreich­ische Realität“, sagt auch die Rassismusf­orscherin Beatriz de Abreu Fialho Gomes. Zwar nehme die Auseinande­rsetzung mit dem Thema zu, doch sei Rassismus bereits ein „etablierte­s System“.

 ?? BILD: SN/ERNST WEINGARTNE­R / PICTUREDES­K.COM ?? Rassismus ist auch in Österreich ein Thema.
BILD: SN/ERNST WEINGARTNE­R / PICTUREDES­K.COM Rassismus ist auch in Österreich ein Thema.

Newspapers in German

Newspapers from Austria