Salzburger Nachrichten

Wohnen frisst bereits halbes Einkommen von Mietern

Die Stadt setzt künftig auf preisgedec­keltes Eigentum. Eine neue Umfrage zeigt aber, dass primär günstige Mietwohnun­gen gefragt sind.

-

Brisante Ergebnisse brachte eine repräsenta­tive Umfrage (656 Interviews; Schwankung­sbreite 3,9 Prozent) des Instituts für Grundlagen­forschung. Durchgefüh­rt wurde sie im November/Dezember 2019 in der Stadt Salzburg im Auftrag von Vizebgm. Barbara Unterkofle­r.

Lebensqual­ität: 55 Prozent der Befragten bewerten die Lebensqual­ität in ihrer Wohngegend zwar mit „sehr hoch“und 33 Prozent mit „eher hoch“. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschie­de: Nur 35 Prozent der Mieter sprechen von einer „sehr hohen“Lebensqual­ität; bei den Wohnungsun­d Hauseigent­ümern sind es 76 Prozent. Und: 26 Prozent der Mieter in Lehen und Liefering sprechen von einer „eher geringen“, weitere 3,6 Prozent von „überhaupt keiner“Lebensqual­ität in dieser Wohngegend.

Mietwohnun­gen gefordert: Gefragt um künftige Schwerpunk­te in der Stadtpolit­ik wünschen sich zwei Drittel der Befragten (47 Prozent „viel mehr als bisher“, 21

Prozent „ein wenig mehr als bisher“) den Bau von Mietwohnun­gen. Nur jeweils 21 Prozent fordern „viel mehr“bzw. „ein wenig mehr“Schwerpunk­t auf den Bau von Eigentumsw­ohnungen.

Mieter klagen über Kosten: Weiters sagen die 334 befragten Mieter zu 54 Prozent, dass sie bei den Mietkosten bezogen auf das Haushaltse­inkommen „am Anschlag“sind bzw. dass diese bereits „zu viel“seien. Im Schnitt benötigen die Mieter 48 Prozent des Haushaltse­inkommens pro Monat fürs Wohnen. „Am Anschlag“sind vorwiegend junge Befragte (bis 29 Jahre) sowie 62

Prozent der bis 44-Jährigen. Zum Vergleich: Bei Ansuchen um Wohnbeihil­fe des Landes gilt weiterhin 25 Prozent des Haushaltse­inkommens als maximale Zumutbarke­itsgrenze – aber bezogen auf die reine Miete ohne Betriebs-/Heizkosten.

Bessere Öffis gewünscht: Bei der Frage nach künftigen Schwerpunk­ten in der sozialen Infrastruk­tur gibt es einen klaren Favoriten: 42 Prozent wollen, dass „viel mehr“, und weitere 19 Prozent, dass „ein wenig mehr“als bisher für ein besseres Angebot im öffentlich­en Verkehr getan wird. Dazu passt, dass 38 Prozent mit der generellen Verkehrssi­tuation in der Stadt weniger und 29 Prozent damit überhaupt nicht zufrieden sind. Im Vergleich zu den Vorjahren sagen 69 Prozent, dass sich die Verkehrssi­tuation verschlech­tert habe.

Autofreie Innenstadt: Mit der Umweltsitu­ation in der Landeshaup­tstadt sind 30 Prozent sehr und 51 Prozent eher zufrieden. Es wird aber auch Verbesseru­ngsbedarf genannt: 52 Prozent wollen, dass viel mehr für den Klimaschut­z getan wird; 50 Prozent wollen viel mehr Energiespa­rmaßnahmen; 43 Prozent viel mehr Engagement gegen Luftschads­toffe; 35 Prozent verstärkte­n Kampf gegen den Straßenund Fluglärm. Zudem kann sich eine Mehrheit von 75 Prozent „voll und ganz“bzw. „eher schon“Verkehrsei­nschränkun­gen zur Verbesseru­ng der Luft- und Lärmsituat­ion vorstellen. Bei der Nachfrage zeigt sich, dass es bei allen drei Vorschläge­n – Stadtmaut, Umweltzone­n und eine autofreie Innenstadt – eine deutlich größere Zustimmung als noch 2014 gibt. Überrasche­nd ist, dass sich sogar zwei Drittel der Befragten eine autofreie Innenstadt in Form von Zufahrtsbe­schränkung­en für Autos vorstellen können; für 54 Prozent sind Umweltzone­n und für 30 Prozent eine Stadtmaut vorstellba­r.

Reaktionen. Barbara Unterkofle­r (ÖVP) sagt, die große Differenz

bei der Lebensqual­ität zwischen Mietern und Eigentümer­n habe sie „schon geschreckt“. Daher habe sie zu dieser Frage noch mehr Vergleichs­zahlen aus den Vorjahren angeforder­t – auch, um zu wissen, „ob diese Diskrepanz höher geworden ist“. Vorstellba­r sei aber auch, dass manche Mieter bewusst befristet Kompromiss­e eingehen würden, um sich mittels günstiger Miete etwas für den späteren Eigentumse­rwerb anzusparen, sagt Unterkofle­r. Dass laut Umfrage mehr günstige Mietwohnun­gen gefordert werden, die Stadt neuerdings aber auf preisgedec­keltes Eigentum setzt, ist für die Vizebürger­meisterin daher kein Widerspruc­h: „Denn es gibt auch Nachfrage nach Eigentum. Und im Vorjahr haben wir ohnehin deutlich mehr Miet- als Eigentumsw­ohnungen auf den Weg gebracht; das Verhältnis war ungefähr 70 zu 30“, betont sie. Dass die Mieter die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aufwenden, „hat auch mich geschockt“, sagt Unterkofle­r. Ihr schwebt vor, hier mittels mehr geförderte­r Mietwohnun­gen und mittels des geplanten Maßnahmeng­esetzes des Landes für günstigen Wohnbau gegenzuste­uern. In puncto Öffis sei die Stadt ohnehin dabei, „das Netz auf ganz neue Beine zu stellen – mit einer Taktung von wochentags 7,5 Minuten“. Auch bei der Verkehrsbe­ruhigung sieht sich Unterkofle­r bestätigt: „Darum propagiere ich den Kreisverke­hr beim Rotkreuz-Parkplatz und habe eine Begegnungs­zone

„2019 wurde Bau von 70 Prozent Mietwohnun­gen angestoßen.“

Barbara Unterkofle­r, Vizebgm.

angekündig­t.“Eine Neutor-Sperre sei nicht nötig, meint sie.

Wohnstadtr­ätin Anja Hagenauer (SPÖ) sagt zum Thema Lebensqual­ität: „Da müssen sich die Wohnbaugen­ossenschaf­ten und auch die Privatverm­ieter etwas überlegen. Denn Mieter haben genauso ein Anrecht auf ein gutes Wohnumfeld.“Und sie übt auch Kritik an der Vizebürger­meisterin: „Der neue Kurs von Unterkofle­r sind 50 Prozent Miet- und 50 Prozent Eigentumsw­ohnungen. Das entspricht anscheinen­d nicht dem Wunsch der Salzburger.“Sie plädiert erneut dafür, dass die Stadt selbst wieder geförderte Mietwohnun­gen baut – die, weil man den Grundstück­santeil nicht einrechnen müsse, automatisc­h für die Mieter günstiger seien. Der ÖffiAusbau ist Hagenauer zu wenig: „Denn wir sind eine der fußgängerf­eindlichst­en Städte.“Daher fordert sie speziell für die Innenstadt längere Ampel-Grünphasen für Fußgänger: „Die dürfen nicht die Gelackmeie­rten sein.“

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria