Mehr als bloß Hefterl-Autor
Walter Ernsting, Schöpfer von Perry Rhodan, wäre 100 Jahre alt geworden. Ein Weggefährte aus Salzburg weiß Neues über ihn zu berichten.
SALZBURG. Seine Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Dieter Braeg hatte das Glück, einige Jahre in der Nähe eines der größten Science-Fiction-Autoren zu leben: Walter Ernsting, Schöpfer der legendären „Perry Rhodan“-Reihe. Die über 3000 Heftromane rund um den Großadministrator des solaren Imperiums verkauften sich seit 1961 millionenfach.
Der Autor, dessen Geburtstag sich am Samstag zum 100. Mal jährt, verbrachte seinen Lebensabend in Salzburg. Mit seinem Nachbarn, selbst Autor, verband ihn eine jahrelange Freundschaft. Ernsting baute Braeg in seinem Roman 248 sogar als Figur ein: den Wächter Brähk.
Der 80-Jährige ist im Besitz einer handschriftlichen Widmung Walter Ernstings: „Lieber Dieter, in diesem Roman musst du sterben. Aber beschwere dich nicht, denn du stirbst als guter Mensch.“
Die Wege der beiden kreuzten sich in den 1960er-Jahren. Er sei damals als großer Science-Fiction-Fan Walter Ernsting gegenüber skeptisch gewesen. Heute denkt er anders: „Walter Ernsting hat für die populäre Unterhaltungsliteratur mit der Figur Perry Rhodan etwas ganz Großartiges geleistet. Durch ihn wurde Science-Fiction im deutschsprachigen Raum überhaupt bekannt.“Das Pseudonym Clark Darlton habe Ernsting nur deshalb gewählt, „weil die Leute außer US-Amerikanern nichts lesen wollten“, sagt Dieter Braeg.
Zum 100. Geburtstag, den der 2005 verstorbene Walter Ernsting nicht mehr erlebte, widmet Dieter Braeg dem vergessenen Autor ein Buch. Und er deckt dabei eine vergessene Episode in Ernstings Leben auf: 1959 macht sich der spätere Bestsellerautor mit einem Kompagnon auf den Weg nach Griechenland. Die abenteuerliche Reise entlang der Inselküsten in einem Faltboot inspiriert
„Durch Ernsting wurde Science-Fiction in unserem Raum bekannt.“
Dieter Braeg, Autor
Ernsting zu einem Reiseroman, dessen Arbeitstitel „Die einsamen Inseln“lautet.
„Dieses Buch ist weder eine Absage an die Zivilisation noch ein Bekenntnis zum Naturalismus, aber es will beiden Richtungen ihre Grenzen zeigen“, schreibt Walter Ernsting. Doch der 168 DIN-A4-Seiten umfassende Roman wird nicht erscheinen.
Den Text könne man nicht veröffentlichen, da der Autor ein „Heftchenromanschreiber“ist, heißt es seitens eines Verlags.
Im Roman schildert Ernsting auch ein Erlebnis, das den erfolgreichen Roman „Raubfischer in Hellas“von Werner Helwig als Plagiat enttarnt. Ernsting lernte auf seiner Reise den Fischer Alfons Hochhauser kennen, der seine Lebenserinnerungen bereits fünf Jahre zuvor zu Papier gebracht hatte. Helwig habe Zugang zu diesem Manuskript gehabt, recherchiert Ernsting. „Ernstings Reportage über die falschen Raubritter hätte im ,Stern‘ erscheinen sollen, ist sie aber nie“, sagt Dieter Braeg.
Sein Buch soll zeigen, dass der vermeintliche „Hefterlschreiber“ein feinsinniger Kämpfer für Literatur gewesen sei. Diese These unterstreicht ein Werkstattgespräch Braegs mit Walter Ernsting aus dem Jahr 1966. Darin berichtet der Autor von Romanen, die „nicht herauskommen“würden, weil sie „vielleicht ein paar heikle Themen, religiöse oder ethische“, umfassten, „die dem Verlag nicht gefielen“. Und er gibt
Einblick in seinen Arbeitsalltag, spricht von 15 Seiten am Tag, die er schreibe, um einen Populärroman in fünf Tagen zu vollenden.
Der gelernte Tapezierer Dieter Braeg widmet sich erst seit seiner Pensionierung dem Schreiben. Unter seinen Werken findet sich eine Biografie des Autors Jakob Haringer, der im Grenzgebiet zwischen Salzburg und Bad Reichenhall gelebt und in der Weimarer Republik Prosa und Räubermärchen verfasst hat. „Salzburg, Bad Reichenhall oder Wien werden durch ihn in einer Weise lebendig, die mitunter an Georg Trakl erinnert“, schreibt Braeg.
Walter Ernsting hingegen wird noch vor seinem Tod eine überirdische Ehre zuteil: Zwei deutsche Astronomen und Science-Fiction-Fans benennen einen Asteroiden 2003 nach dem „Vater der deutschen Science-Fiction“.