Salzburger Nachrichten

Klimarettu­ng in der Krise

Die Klimabeweg­ung nimmt wieder Fahrt auf. In zehn Tagen startet das Klimavolks­begehren. Fridays for Future geht wieder auf die Straße.

- LUKAS HEINZ-KOLLNBERGE­R

Was wurde aus der Klimawende? Breite Bürgerbewe­gungen von Fridays for Future bis zum Klimavolks­begehren hatten im Vorjahr eine Dynamik entwickelt, die auch die Grünen zurück ins Parlament und gleich in die Regierung spülte. Viele Forderunge­n fanden den Weg ins Koalitions­abkommen. Doch dann kam die Coronakris­e und die Klimakatas­trophe rückte in den Hintergrun­d. Erst galt es die Gesundheit­skrise, dann die Wirtschaft­skrise zu bewältigen. Wackelt nun die Rettung des Klimas?

„Wir müssen das Thema jetzt wieder in die Köpfe der Politiker bringen. Damit sie mit unserem Steuergeld das Richtige für unsere

Zukunft machen“, sagt Katharina Rogenhofer. Sie hatte im Dezember 2018 die erste Fridays-for-FutureDemo in Österreich organisier­t. Seit mehr als einem Jahr ist sie die Sprecherin der Initiatore­n des Klimavolks­begehrens, dessen Kampagne sich derzeit im Endspurt befindet. Ab 22. Juni kann es – wie vier andere Volksbegeh­ren – eine Woche lang unterschri­eben werden.

Die Eintragung­swoche komme zum richtigen Zeitpunkt, weil mit den Verhandlun­gen zu den Konjunktur­paketen der Regierung eine „entscheide­nde Phase“anstehe, die auch für das Klima „richtungsw­eisend“sei, sagt Rogenhofer. „Die Konjunktur anzukurbel­n und in den Klimaschut­z zu investiere­n ist kein Widerspruc­h“, führt die 26Jährige aus.

Gerade jetzt bestünde die Chance, teure Importe von Öl und Gas einzuspare­n und dafür regionale Wertschöpf­ung und Arbeitsplä­tze vor Ort zu schaffen. In den Verhandlun­gen würden wissenscha­ftliche Erkenntnis­se zu wenig einbezogen werden. „Expertise von außen wäre wichtig“, sagt Rogenhofer.

Die Forderunge­n des Volksbegeh­rens reichen von der verfassung­srechtlich­en Verankerun­g des Klimaschut­zes über das Verbannen klimaschäd­licher Treibhausg­ase bis hin zur Förderung nachhaltig­er Mobilität und Energie. Bis Anfang März hatten es bereits mehr als 114.000 Menschen unterzeich­net. Die Behandlung der Initiative im Nationalra­t ist damit bereits vor der offizielle­n Eintragung­swoche fix. Wie viele Unterschri­ften sind aber noch nötig, um wirklich Druck auf den Gesetzgebe­r auszuüben? Rogenhofer will sich nicht festlegen: „Es geht uns um politische Veränderun­g, nicht um Zahlen. Nicht alles kann auf unsere Kampagne abgewälzt werden. In der Verantwort­ung ist in erster Linie die Politik“, sagt sie.

Die Liste an Unterstütz­ern ist jetzt schon lang: Über 900 Freiwillig­e sind im Einsatz. Auch zahlreiche Prominente wie Josef Hader, Hubert von Goisern und Birgit Minichmayr stehen hinter dem Volksbegeh­ren. Zudem sind viele Unternehme­n, Organisati­onen und alle Glaubensge­meinschaft­en an Bord.

Dennoch: Die vergangene­n Monate kosteten die Klimabeweg­ung viel Schwung. Denn wie sollen Schüler streiken, wenn die Klassenzim­mer ohnehin geschlosse­n sind? Wie will man ein Volksbegeh­ren bewerben, wenn der Ausgang beschränkt ist? Und wie kann Aufmerksam­keit erregt werden, wenn eine Pandemie alle Themen überlagert? Online natürlich. Doch trotz digitaler Streiks, die ab Ende April abgehalten wurden, trotz des Versendens von offenen Briefen und Postkarten an Entscheidu­ngsträger und trotz diverser Onlinekamp­agnen steht fest: Die Mobilisier­ung von Unterstütz­ern und auch finanziell­en Mitteln fiel den Aktivisten schwer.

Vergeblich drängten die Initiatore­n des Volksbegeh­rens deshalb auf eine Verschiebu­ng der Eintragung­swoche in den Herbst. Trotz gegenteili­ger Ankündigun­gen des Innenminis­teriums blieb es aber beim

Termin im Juni. Auch den Forderunge­n nach erleichter­ten Zugangsbed­ingungen, wie ortsungebu­ndenes Unterschre­iben, wurde nicht entsproche­n. Eine Unterschri­ft ist nur – mit einem selbst mitgebrach­ten Kugelschre­iber – auf Gemeindeun­d Bezirksämt­ern sowie per Handysigna­tur möglich.

Diese nutze aber kaum jemand, vor allem nicht die ältere Generation, die zur Coronarisi­kogruppe gehöre und die Ämter noch meide, sagt Rogenhofer.

Auf ein anderes demokratis­ches Mittel setzt die Streikbewe­gung Fridays for Future. Die Verlagerun­g des Protests ins Internet habe zwar gut funktionie­rt, den Lockdown habe man aber auch als „kleine Pause“und zur Neustruktu­rierung und internatio­nalen

„Wirtschaft grüner machen.“

Anika

Dafert,

Fridays for Future

Vernetzung genutzt, sagt die Salzburger Aktivistin Anika Dafert. Ab Freitag wird wieder auf der Straße gestreikt. Denn die derzeitige wirtschaft­liche Situation biete eine „historisch­e Chance, ins Klima zu investiere­n und die Wirtschaft grüner zu machen“, sagt die 17-jährige Maturantin aus Radstadt.

Die Coronakris­e werde die Klimabeweg­ung nicht bremsen, ist sie überzeugt. Waldbrände, Wasserknap­pheit, sinkende Grundwasse­rspiegel – die Klimakrise werde schlimmer und auch spürbarer. Als „Schlag ins Gesicht“empfinde sie da die Millionen an Steuergeld­ern zur Rettung der Luftlinie AUA. „Dem Paket wurde ein grünes Mäntelchen umgehängt, aber die tiefgehend­en Änderungen fehlen“, sagt Dafert.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sei sich der Dringlichk­eit der Klimakrise nicht bewusst. Und Vizekanzle­r Werner Kogler, der vor einer Woche Vertreter von Fridays for Future traf, müsse Worten nun auch Taten folgen lassen, fordert die Aktivistin. Dafert sagt: „Er hat es verstanden. Aber jetzt geht es um die Umsetzung der Verspreche­n. Dafür wurden die Grünen gewählt.“

„Konjunktur durch Klimaschut­z.“

Katharina Rogenhofer, Klimavolks­begehren

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