Pläne für Hagia Sophia befeuern einen gefährlichen Streit
Zwischen Athen und Ankara mehren sich die Konflikte. Im brisantesten geht es um Hoheitsrechte und Bodenschätze.
ATHEN. Selten war es in der Ägäis so ruhig wie in diesem Frühsommer. Die meisten Strände auf den griechischen Inseln und an der türkischen Küste sind menschenleer. Die Coronapandemie schlägt sich auch in der Migrationsstatistik nieder: Im Mai ging die Zahl der Geflüchteten, die aus der Türkei nach Griechenland kamen, gegenüber dem Vorjahr um 91 Prozent zurück.
Aber eine Wende zeichnet sich ab: Diese Woche wollte eine Gruppe von mehr als 400 Migranten den Grenzfluss Evros überqueren. Und auch tausend Kilometer Luftlinie südlich des Evros, im Libyschen Meer, braut sich etwas zusammen.
Dort kreuzte diese Woche südlich von Kreta der Frachter „Cirkin“auf. Das Schiff wurde auf dem Weg nach Libyen von drei türkischen Fregatten begleitet. Die Besatzung einer griechischen Fregatte, die im Rahmen der EU-Operation „Irini“das UNO-Waffenembargo gegen Libyen überwachen soll, wollte das Schiff durchsuchen. Die Türken verweigerten das. Sie erklärten, der Frachter stehe unter ihrem Schutz.
2019 unterzeichnete der libysche Premier Fajis al-Sarradsch mit Erdoğan ein Abkommen über die Abgrenzung der beiderseitigen Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer. Damit teilten die beiden Länder einen Seekorridor zwischen der libyschen und der türkischen Küste auf, ohne Rücksicht auf die dort gelegenen griechischen Inseln Kreta, Karpathos und Rhodos. Beobachter sehen in der Abmachung eine Gegenleistung des libyschen Premiers für türkische Militärhilfe.
Jetzt könnte es zu einem Showdown vor der Küste Kretas kommen. Wie wird Athen reagieren, wenn die Türkei tatsächlich ein Bohrschiff in die griechische Wirtschaftszone schickt, um nach Öl und Gas zu suchen? Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos kündigte bereits an, Griechenland werde „alles Notwendige“unternehmen, um seine Souveränitätsrechte zu verteidigen. Man sei „auf alles vorbereitet“, einschließlich einer „militärischen Auseinandersetzung“.
Die Antwort aus Ankara ließ nicht lang auf sich warten. Die Ansprüche Griechenlands seien „unbegründet“, erklärte Erdoğan. An die Griechen gerichtet sagte er: „Mit wem glaubt ihr eigentlich zu reden? Reißt euch gefälligst zusammen! Wenn ihr eure Grenzen nicht erkennt, wird die Türkei schon wissen, wie sie darauf antwortet.“
Während der Streit um die Wirtschaftszonen eskaliert, bricht nun ein weiterer Konflikt auf: In der Türkei gibt es Bestrebungen, die Hagia Sophia in Istanbul in eine
Moschee umzuwidmen. Die einst größte Kathedrale der orthodoxen Christenheit und Krönungskirche der byzantinischen Kaiser ist seit 1934 ein Museum. Das für viele Griechen emotionale Thema gibt dem Streit um die Hoheitszonen eine zusätzliche Dimension.
Sollte die Türkei jetzt tatsächlich vor Kreta nach Öl und Gas bohren, könnte aus dem Kalten Krieg in der Ägäis ein heißer Konflikt werden. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis gilt zwar als besonnener Politiker, aber einer solchen Eskalation könnte die Athener Regierung kaum untätig zusehen.
Mitsotakis kommt zunehmend unter Druck der eigenen Öffentlichkeit. Das zeigt eine aktuelle Umfrage. Danach meinen 56 Prozent der Befragten, Griechenland müsse auf eine Verletzung seiner Souveränitätsrechte durch die Türkei mit militärischen Mitteln reagieren.