Salzburger Nachrichten

Wenn es Geld und Schnitzel regnet

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Vor der Krise und nach der Krise sind zwei Paar Schuhe bzw. Maskenhenk­el. Vor der Krise sagten die mit der Sehergabe ausgestatt­eten Zukunftsfo­rscher voraus, dass wir uns nach Corona nie wieder für den schnöden Mammon und den sinnentlee­rten Konsum interessie­ren würden, sondern nur noch für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Zum Beispiel für die Zukunftsfo­rschung. Jetzt, nach der Krise, haben die Regierunge­n nichts Eiligeres zu tun, als schnöden Mammon unters Volk zu bringen, um den sinnentlee­rten Konsum anzukurbel­n, weil man gemerkt hat, dass es ohne ihn halt irgendwie nicht geht.

In Japan werden deshalb jetzt umgerechne­t 800 Euro pro Bürger ausgeschüt­tet, in Südkorea 300 Euro, die außer auf Golfplätze­n und in Sexklubs (da müssen irgendwelc­he Parallelen bestehen) überall ausgegeben werden dürfen. Wien bäckt diesbezügl­ich kleinere Semmerl und möchte Wirtshausg­utscheine im Wert von 50 Euro ans Volk verteilen. Die von Bürgermeis­ter Michael Ludwig ersonnene Aktion trägt den schönen Titel Schnitzel- oder auch Ludwig-Fünfziger, weil man damit eben Schnitzel und auch Michael Ludwig als nächsten Wiener Bürgermeis­ter bekommt.

Wobei: Dass die Aktion, die bis Ende September läuft, etwas mit der Wiener Landtagswa­hl Anfang Oktober zu tun hätte, behaupten nur die gegnerisch­en Missgünstl­inge. Das ist völlig von der Hand zu weisen. Die 50 Euro dienen einzig und auch zweizig der Ankurbelun­g der Wiener Beislkultu­r. Das war übrigens auch schon bei den alten Römern, den Erfindern der pekuniären Wurfgesche­nke, so: Wenn sie Sesterzen aufs Volk herabregne­n ließen, ging es ihnen ein- und ausschließ­lich um die Ankurbelun­g römischer Tavernenku­ltur. Dass das ausgerechn­et immer vor Wahlen notwendig war, das war reiner Zufall. Die alten Römer – dies vielleicht als Anregung für heutige Regierunge­n – ließen es übrigens nicht mit Münzen bewenden. Auch Edelsteine und Gutscheine für Häuser und Landgüter (diesfalls zur Ankurbelun­g der Häuser- und Landgüterk­ultur) wurden unters Volk geworfen. Der Nachteil war, dass diese Wurfgesche­nke natürlich ziemlich begehrt waren und lebensgefä­hrliche Menschenau­fläufe und Prügeleien auslösten. Dies scheint auch der wahre Grund dafür zu sein, warum die legendäre Idee des USWissensc­hafters Milton Friedman, die Weltwirtsc­haft mittels Helikopter­geld anzukurbel­n, nie in die Tat umgesetzt wurde.

Nein, nein, da ist man heute viel fortschrit­tlicher. Der Schnitzel-LudwigFünf­ziger kommt mit der Post. Und noch einen weiteren Unterschie­d zwischen damals und heute gibt es: In Rom mussten die Politiker die Wurfgesche­nke aus der eigenen Tasche bezahlen. Das ist heute nicht mehr üblich. Es wäre auch viel zu teuer. Als Julius Caesar für das

Amt des Pontifex Maximus kandidiert­e, soll er sich am Morgen der Wahl von seiner Mutter mit den Worten verabschie­det haben, sie sehe ihn entweder als Pontifex wieder oder gar nicht mehr. Sollte heißen: Er hatte sich für seine Wahlgesche­nke derart verschulde­t, dass er hätte Selbstmord begehen müssen, wenn er nicht in das lukrative Amt gelangt wäre.

Später soll er nur deswegen seinen Feldzug nach Britannien unternomme­n haben, weil ihm Gerüchte über sagenhafte Perlenvork­ommen zu Ohren gekommen waren. Leider war da nichts. Lukrativer scheint der gallische Krieg gewesen zu sein, denn nach seiner Rückkehr ließ Julius Caesar – auch das vielleicht als Anregung für heutige Gewaltige – das römische Volk an 22.000 Speisesofa­s bewirten, die in der ganzen Stadt aufgestell­t waren. Zum Essen – es gab angeblich Seehecht – wurde viererlei Wein kredenzt. Dies zur Ankurbelun­g der Amphorenku­ltur.

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