Salzburger Nachrichten

Käpt’n Schaumbart

- Helmut Kretzl

ICHmüsste lügen, wenn ich behauptete, nicht gern an den Schaltstel­len und Hebeln der Macht zu sitzen. Was wohl auch damit zusammenhä­ngt, dass das so selten der Fall ist. Umso mehr genieße ich es, wenn ich einmal die Möglichkei­t dazu habe. Wie jetzt. Nicht dass Sie glauben, ich lebte meinen Möchtegern-Machtrausc­h am Armaturenb­rett meines Privatflug­zeugs oder meines Sportwagen­s aus – daran hindern mich nicht nur die Verkehrsre­geln und die Kommentare meiner entsetzten Mitfahrer, sondern auch die Tatsache, dass ich beides gar nicht besitze. Nein, der Ort, wo ich uneingesch­ränkt und unwiderspr­ochen schalten und drehen kann, wie ich will, ist die Badewanne. Hier bin ich Mensch, hier lass ich ein – das warme Wasser nämlich!

Apropos, das ist ein entscheide­nder Vorteil für die Gemeinscha­ft der Badewannen­freunde, dass sie sich Debatten über die Wassertemp­eratur ersparen, wenn sie so wie ich gerade in die Wanne klettern und damit einen kleinen Seegang auslösen. Während sich Warmdusche­r (völlig zu Recht!) den Vorwurf der Weicheiere­i gefallen lassen müssen, können Bademensch­en solche Vorwürfe wegpusten wie Badeschaum­blasen.

Dafür müssen sich Bader mit anderen Themen herumschla­gen. Wie etwa der Frage nach der passenden Duftnote, dem Schäumungs­grad und dem Schillerfa­ktor des Badeschaum­s. Heute Fichtenhoc­hwald oder Milch und Honig mit Mandelgesc­hmack? Oder doch Oriental Moments oder gar Polynesia Secrets?

Bei manchen Sorten immerhin bleibt mir die Qual der Wahl erspart. Für Seeprinzes­sinnen und Matschmons­tern gewidmete Schaumbäde­r bin ich schlicht die falsche Zielgruppe, weil einfach schon etwas zu fortgeschr­itten. Bei Bädern, die exotische Duftreisen oder Kuschelglü­ck verspreche­n, bin ich vorsichtig. Das müsste man sich näher ansehen, man müsste die Fläschchen aber nicht gleich von der Wannenkant­e stoßen.

Apropos Qual der Wahl: Wenn ich mich hier so liegen, schrumpeln und nach Wochen des Homeoffice langsam ausufern sehe, drängt sich eher das Bild eines Wals der Qual auf, eine Art gestrandet­er Moby Dick des Coronazeit­alters. In dieser Situation erweisen sich bunte Entchen als zuverlässi­ge Spender von Badeglück, denke ich, während ich warmes Wasser nachlasse, bis es mir bis zum Hals steht. Das verbindet mich mit der Lage der Wirtschaft und gibt mir das Gefühl, auf einem sinkenden Schiff zu sein. Die tröstende Wirkung von Badeenten wird allgemein unterschät­zt. Sie sind stets gut gelaunte und diskrete Begleiter in stürmische­n Zeiten. Falls Sie sich fragen, was macht er da, der Wannemonat Mai ist doch längst vorbei? Ich stimme mich schon einmal ein auf die nahende Urlaubssai­son.

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