Käpt’n Schaumbart
ICHmüsste lügen, wenn ich behauptete, nicht gern an den Schaltstellen und Hebeln der Macht zu sitzen. Was wohl auch damit zusammenhängt, dass das so selten der Fall ist. Umso mehr genieße ich es, wenn ich einmal die Möglichkeit dazu habe. Wie jetzt. Nicht dass Sie glauben, ich lebte meinen Möchtegern-Machtrausch am Armaturenbrett meines Privatflugzeugs oder meines Sportwagens aus – daran hindern mich nicht nur die Verkehrsregeln und die Kommentare meiner entsetzten Mitfahrer, sondern auch die Tatsache, dass ich beides gar nicht besitze. Nein, der Ort, wo ich uneingeschränkt und unwidersprochen schalten und drehen kann, wie ich will, ist die Badewanne. Hier bin ich Mensch, hier lass ich ein – das warme Wasser nämlich!
Apropos, das ist ein entscheidender Vorteil für die Gemeinschaft der Badewannenfreunde, dass sie sich Debatten über die Wassertemperatur ersparen, wenn sie so wie ich gerade in die Wanne klettern und damit einen kleinen Seegang auslösen. Während sich Warmduscher (völlig zu Recht!) den Vorwurf der Weicheierei gefallen lassen müssen, können Bademenschen solche Vorwürfe wegpusten wie Badeschaumblasen.
Dafür müssen sich Bader mit anderen Themen herumschlagen. Wie etwa der Frage nach der passenden Duftnote, dem Schäumungsgrad und dem Schillerfaktor des Badeschaums. Heute Fichtenhochwald oder Milch und Honig mit Mandelgeschmack? Oder doch Oriental Moments oder gar Polynesia Secrets?
Bei manchen Sorten immerhin bleibt mir die Qual der Wahl erspart. Für Seeprinzessinnen und Matschmonstern gewidmete Schaumbäder bin ich schlicht die falsche Zielgruppe, weil einfach schon etwas zu fortgeschritten. Bei Bädern, die exotische Duftreisen oder Kuschelglück versprechen, bin ich vorsichtig. Das müsste man sich näher ansehen, man müsste die Fläschchen aber nicht gleich von der Wannenkante stoßen.
Apropos Qual der Wahl: Wenn ich mich hier so liegen, schrumpeln und nach Wochen des Homeoffice langsam ausufern sehe, drängt sich eher das Bild eines Wals der Qual auf, eine Art gestrandeter Moby Dick des Coronazeitalters. In dieser Situation erweisen sich bunte Entchen als zuverlässige Spender von Badeglück, denke ich, während ich warmes Wasser nachlasse, bis es mir bis zum Hals steht. Das verbindet mich mit der Lage der Wirtschaft und gibt mir das Gefühl, auf einem sinkenden Schiff zu sein. Die tröstende Wirkung von Badeenten wird allgemein unterschätzt. Sie sind stets gut gelaunte und diskrete Begleiter in stürmischen Zeiten. Falls Sie sich fragen, was macht er da, der Wannemonat Mai ist doch längst vorbei? Ich stimme mich schon einmal ein auf die nahende Urlaubssaison.