„Pensionswächter“sind gegen Hacklerpension
Wie sollen die Pensionen gesichert werden? Corona verzögert die Erarbeitung der notwendigen Expertise.
Walter Pöltner, 68 Jahre alt, ist ein ungewöhnlicher (Ex-)Beamter. Gelernter Industriekaufmann, holte er die Matura nach, studierte Jus, war Abteilungsleiter in der Arbeiterkammer und brachte es im Sozialministerium bis zum Sektionschef. Als am Tag nach Ibiza die freiheitlichen Minister zurücktraten, amtierte der damals bereits pensionierte Spitzenbeamte sogar für einige Tage als Sozialminister, doch der Misstrauensantrag von SPÖ und FPÖ beförderte ihn wieder in den Ruhestand. Im Herbst feierte Pöltner ein Comeback als Vorsitzender der Alterssicherungskommission, die im November 2019 ihre Arbeit aufnahm. Ihre Aufgabe: die Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung und der Pensionen des öffentlichen Dienstes zu überwachen.
Eine der ersten Amtshandlungen der Kommission war es, die Regie- rung zur Rücknahme der vor den Wahlen beschlossenen abschlagsfreien Frühpension („Hacklerregelung“) aufzufordern. Der Beschluss erfolgte auf Antrag von Pöltners Stellvertreterin, ÖVP-Seniorenchefin Ingrid Korosec. Die Arbeitnehmervertreter stimmten dagegen. Pöltner hingegen, obgleich er tiefrotem Biotop entstammt, votierte für die Abschaffung der von seiner Partei stets geforderten Hacklerregelung. „Es ist allgemeiner Konsens, dass die Menschen länger in Arbeit stehen sollen. Und dann wird das exakte Gegenteil beschlossen“, kritisierte der Experte am Freitag in einem Journalistengespräch. Es widerspreche dem Versicherungsprinzip
und der Gerechtigkeit, dass Menschen nach 45 Versicherungsjahren die gleiche Pension erhalten wie Menschen, die etwa drei Jahre länger arbeiten und entsprechend mehr Beiträge einzahlen. Überdies kämen nur die wenigsten „Hackler“in den Genuss der Hacklerregelung, vielmehr profitierten fast ausschließlich männliche Angestellte aus dem gesicherten Bereich (Sozialversicherungen, Kammern, Banken). So weit der oberste Pensionswächter der Republik.
Eindeutige Handlungsanleitungen kann die Kommission der Politik derzeit nicht geben. Das geplante Langfristgutachten soll zwar bis November fertig sein. Da dieses aber auf den Daten vor der Coronakrise basiert, wird Mitte 2021 ein Zusatzgutachten vorgelegt werden. Zur Debatte, ob Bezieher großer Pensionen einen Corona-Solidarbeitrag leisten sollen, wollten sich weder Pöltner noch seine Stellvertreterin Korosec äußern. Die Willensbildung in der Kommission ist nicht einfach, da dort neben den zuständigen Ministerien auch die Seniorenverbände von SPÖ und ÖVP, die Bundesjugendvertretung und die roten und schwarzen Sozialpartner vertreten sind.